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Thread: Cally's kleines Parteienlexikon (BRD)

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    Die Parteien sind gemäß des bundesdeutschen Grundgesetzes (GG) fester Bestandteil des Gesamtsystems und unterliegen den verfassungsmäßigen Vorschriften des Art. 21 GG, sowie dem Parteiengesetz (PartG). Überdies sind sie für den Einzelnen die einzige Möglichkeit, politische Macht zu erlangen.
    Man unterscheidet generell die Klein- und Kleinstparteien (Bsp.: NPD, PBC, Graue, Frauen...) ohne machtpolitischen Einfluss von den so genannten “etablierten” Parteien, die regelmäßig in die Parlamente von Bund und Ländern einziehen und in ebenso wiederkehrendem Maße Regierungsgewalt ausüben.
    In diesem Sinne hat Deutschland gegenwärtig ein 5-Parteiensystem. In der politischen Theorie erklärt man sich diese Zahl durch die Formel “Anzahl der etablierten Parteien = Anzahl der Konfliktlinien +1“.

    “Konfliktlinien” (engl. Cleavages) sind innergesellschaftliche Verwerfungen, die aus Meinungsverschiedenheiten der konkordanten Streitkultur resultieren und Gruppenbildung befördern, welche sich im Parteiensystem vereinfacht darstellt.
    Tendenziell nimmt die Anzahl der bedeutenden Konfliktlinien zu. Ursachen hierfür sind im Wesentlichen die Wohlstandsgesellschaft der Nachkriegszeit und die mit ihr korrelierende Individualisierung des sozialen Körpers (Meinungspluralismus).
    Gemäß der Formel muss es in der Bundesrepublik Deutschland somit vier große Cleavages geben:

    1. Christlich <-> Säkular => CDU <-> SPD
    2. Liberal <-> Autoritär => FDP <-> CDU
    3. Materialismus <-> Postmaterialismus => SPD <-> Grüne
    4. West <-> Ost => SPD <-> Linke


    Im Folgenden eine kurze Darstellung der etablierten Parteien entsprechend ihrer geographischen Position im Deutschen Bundestag von rechts nach links.


    Die Freie Demokratische Partei (FDP)
    Mitglieder: ca. 65.000

    In der FDP verschmolzen nach dem Zweiten Weltkrieg die verschiedenen liberalen Strömungen zu einer einzigen Partei. Ihr ist auch das bis dahin beispiellose Kunststück gelungen, Rechts- und Linksliberalismus unter einem Dach zu vereinen und so der Fragmentierung der liberalen Kräfte in Deutschland entgegen zu wirken. Im 3-Parteiensystem (bis 1983) nahm die FDP eine Schlüsselstellung zwischen den großen Volksparteien ein. Zum einen als Wahlalternative zwischen Links und Rechts; zum anderen, da CDU und SPD die FDP gleichermaßen als Koalitionspartner brauchten, wenn sie abseits einer Großen Koalition Regierungsgewalt erlangen wollten.
    Auch war es die FDP, die durch ihren Koalitionswechsel von der SPD zur CDU indirekt die vorgezogene Bundestagswahl 1983 auslöste. Die Abkehr von einer Zusammenarbeit mit der SPD und die verstärkte Kooperation mit der CDU bewirkten in der FDP eine stärkere Schwerpunktsetzung hin zum Wirtschaftsliberalismus.
    Damit verbunden entstand ein Interessenvakuum rund um den Sozialliberalismus, das daraufhin von den Grünen gefüllt wurde. Somit markierte die FDP auch den Übergang vom 3- zum 4-Parteiensystem.

    Heute setzen sich die Liberalen für eine strikte Marktwirtschaft und mehr direkte Demokratie ein. Sie befürworten Stammzellforschung und ein Steuersystem, das stufenförmig (15%/25%/35%) aufgebaut ist. Das Sozialsystem soll nach ihren Vorstellungen auf einer staatlichen Grundsicherung mit privater, eigenverantwortlicher Ergänzung beruhen.
    Schließlich befürwortet die FDP militärische Auslandseinsätze und die Liberalisierung des Welthandels. Die Wehrpflicht soll ausgesetzt, die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee von 240.000 Mann umgebaut werden.


    Die Christlich-Demokratische Union (CDU)
    (assoziiert mit der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU))

    Mitglieder: ca. 530.000 (CDU); ca. 165.000 (CSU)

    Im deutschen Parteiensystem stellte die CDU nach 1945 ein Novum und einen Kontinuitätsbruch gleichermaßen dar. Waren in der Weimarer Republik die bürgerlichen Kräfte extremst fragmentiert, so wurden sie nun gemeinsam mit konservativen und liberalen Strömungen Schritt für Schritt in die Union integriert, die auf diese Weise so stark anwuchs, dass ihre Wählerschaft der SPD den 1949 sicher geglaubten Sieg der Bundestagswahl streitig machte. Die CDU ist im Sinne ihrer Herkunft die heterogenste Partei- sie schließt breite Kreise der Mitte ein und wurde auf diese Weise zur “Volkspartei”. Bewusst wählte die CDU die Selbstbezeichnung “Union”. Sie plakatierte mit ihrer Namenswahl eine Abkehr von der Tradition der Weimarer “Parteien“, die weder besonders beliebt, noch besonders fähig waren, politische Verantwortung zu tragen, womit sie Hitlers Regentschaft beförderten.
    Die CDU zeichnet sich auf der konfessionellen Ebene durch ein Gleichgewicht von Protestantismus und Katholizismus aus, darüber hinaus ist sie die einzige etablierte Partei, die ein religiöses Bekenntnis bereits im Namen führt. Eine wichtige Rolle spielte dabei die katholische Partei “Zentrum”, die nach 1945 vollständig in der CDU aufging und ihre Parteiphilosophie entscheidend mitbeeinflusste.

    Heute folgt die Union dem Selbstverständnis “Bürgerliche Partei der Mitte”. Sie ist wertkonservativ und wirtschaftsliberal ausgerichtet, außerdem befürwortet sie einen stärkeren, kompetenteren Staat.
    Die Zukunft der deutschen Ökonomie wird in der Hochtechnologie gesehen; Deregulierung soll den Arbeitsmarkt flexibler gestalten, Atomkraft die Grundlage der Energiepolitik bilden.
    Die CDU tritt für ein vereinfachtes, progressives Steuersystem ein; sie lehnt Volksentscheide auf Bundesebene und eine Senkung des Wahlalters ab. Ihr konservatives Weltbild schließt ein starkes Militär mit ein, weswegen die Wehrpflicht zum Zweck der Landesverteidigung aufrecht erhalten werden soll. Diesbezüglich ist die Union im Parteiensystem mittlerweile vollständig isoliert.


    Bündnis 90/ Die Grünen
    Mitglieder: ca. 45.000

    Die Grünen sind ein Produkt des postmaterialistischen Wertewandels der Nachkriegszeit. Ebenso profilierten sie sich durch die sozialliberale Nuance, welche von der FDP fallen gelassen wurde.
    Ihre Identität entnahmen sie der Umweltbewegung der 70er Jahre, die aber keinesfalls alleiniger Schwerpunkt des politischen Profils der Grünen ist.
    Viel mehr handelt es sich bei der vierten großen Partei Deutschlands um den ehemaligen linken Flügel der SPD, der dieser im Zuge der gesellschaftlichen Pluralisierung weggebrochen ist.
    Bemerkenswert ist dabei, dass die Grünen im Wesentlichen aus einem modernen gesellschaftlichen Prozess hervorgegangen sind und nicht aus einer oder mehrerer Vorgängerpartei/en der Weimarer Republik, wie es bei den anderen vier etablierten Parteien der Fall ist.
    Dass die Grünen im Übrigen trotz ihres “linken” Selbstverständnisses im Parlament rechts der SPD sitzen, liegt an eben dieser, die sich bis heute beharrlich weigert, die Grünen links von ihr sitzen zu lassen.

    Die Grünen verstehen sich als ökologisch, wirtschaftlich eher sozialistisch, sonst liberal. Sie lehnen einen zu starken Staat ab und fordern stattdessen mehr individuelle Freiheitsrechte sowie direkte Demokratie, was sich auch in ihrer Wirtschaftshaltung niederschlägt (mehr betriebliche Mitbestimmung etc.). Sie lehnen weitere Steuersenkungen ab, wollen erneuerbare Energien fördern und das Sozialsystem durch einen Mix aus staatlichen Grund- und eigenen Aufbaubeträgen finanzieren, wobei Arbeitgeber stärker miteinbezogen werden sollen.
    Die Versicherungsorganisation soll vereinheitlicht (“Bürgerversicherung”), Waffenexporte beschränkt werden. Überdies Abschaffung der Wehrpflicht inklusive des Art. 12a GG im Gegensatz zur FDP, die eine “Aussetzung” unter Beibehaltung von 12a fordert.


    Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
    Mitglieder: ca. 520.000

    Die SPD ist die älteste deutsche Partei und existierte bereits im deutschen Kaiserreich, wo sie sich als sozialistische Weltanschauungspartei gab, die sich der Befreiung des Proletariats verschrieben hatte. Dementsprechend bestand ihre Wählerschaft v.a. aus Arbeitern.
    Insbesondere das rheinische Ruhrgebiet wurde so auch zum Revier der SPD und ist es in gewisser Weise bis heute.
    Nach 1945 erfolgte der Neustart der SPD, die als einzige verbliebene Partei Hitler die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz verweigerte. Aus der radikalen “Sozialistischen” wurde die gemäßigte “Sozialdemokratische”- dies markiert die Tendenz hin zur Mitte-links- Partei und somit die Grundlage für den Aufstieg der SPD zur zweiten Volkspartei neben der CDU.
    Entsprechend änderte sich die Zielsetzung der säkularen Sozialdemokratie, die die Errichtung eines großzügig ausgebauten Sozialstaats forcierte, jedoch bereits im Parlamentarischen Rat 1948 von der CDU in die Schranken gewiesen wurde, was sich im Grundgesetz als eher spärliche Sozialstaatsklausel niederschlug.
    Durch die Tendenz zur Mitte verlor die SPD bereits zweimal ihren linken Flügel an die Grünen (1983) bzw. an die Linken (2005), die sich als Richtungsparteien im Gegensatz zur Volkspartei ein klares Profil leisten können. Inwiefern die einst linkssozialistische Sozialdemokratie darauf langfristig reagiert, bleibt abzuwarten.

    Politisch will die SPD eine freiheitlich-solidarische Bürgergesellschaft und die Verwirklichung des demokratischen Sozialismus. Sie ist neben der FDP Träger des Links-, neben den Grünen Träger des Sozialliberalismus.
    Wirtschaftlich sollen “soziale Dimensionen” gewahrt werden. Ausstieg aus der Atomkraft und sozialverträglicher Wandel im Bergbau gehören zu den oberen Prämissen der SPD.
    Daneben keine weiteren Steuersenkungen; Ablösung des umlagefinanzierten Rentensystems durch Kapitaldeckung. Sozialpolitisch herrscht große Einigkeit mit den Grünen, international soll der Prozess der Europäisierung fortgesetzt, die Entwicklungshilfe erhöht werden.
    Das Militär soll nach dem dänischen Modell der “Freiwilligen Wehrpflicht” umgestaltet werden.


    Die Linke
    Mitglieder: ca. 76.000

    Die Linke entstand aus der Fusion der westdeutschen WASG (Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit) mit der ostdeutschen Partei des demokratischen Sozialismus (PDS), die ihrerseits Nachfolgeorganisation der DDR- Staatspartei SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) war.
    Da sich die SED wiederum durch die Dominanz der früheren Kommunistischen Partei auszeichnete, steht die heutige Linkspartei in einer gewissen Kontinuität zur KPD.
    Im Gegensatz zur NSDAP, die mit ihrem System unterging, konstituierte sich die SED nach dem Ende der von ihr geführten Diktatur neu und nahm als PDS eine autonome Position im gesamtdeutschen System ein.
    In ihrer Form als Linkspartei ist sie seit 2005 die fünfte bundesweit etablierte Kraft im Parteiensystem.

    Die Linke versteht sich selbst als postkommunistische radikaldemokratisch-sozialistische Partei, wird aber zuweilen vom Verfassungsschutz als anti-westlich und linksextremistisch eingestuft.
    Sie tritt für Volksentscheide und Erweiterung des Wahlrechts auf Nichtdeutsche ein. Lohnerhöhungen sollen die Nachfrage ankurbeln und so letztendlich die Gesamtwirtschaft fördern. Darüber hinaus weite Übereinstimmungen mit der SPD bzgl. Atomkraft oder Mindestlohn. Geringverdienende sollen entlastet, Vielverdienende stärker besteuert werden. Die Linke verspricht großzügige staatliche Zuwendungen im Sinne sozialer Gerechtigkeit.
    International soll die Liberalisierung des Welthandels zurückgedrängt werden. Zuletzt lehnt die Linke militärische Auslandseinsätze ab. Die Bundeswehr soll in eine Berufsarmee von 100.000 Mann umgebaut werden.



    Der gegenwärtige 16. Deutsche Bundestag setzt sich aus beschriebenen Parteien wiefolgt zusammen:

    Gesamt: 612 Sitze, davon:

    FDP: 61
    CDU/CSU: 177 + 46
    Grüne: 51
    SPD: 222
    Linke: 54

    2 Abgeordnete sind fraktionslos

    Die Bundesregierung ruht auf einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD.

    Das deutsche Parteiensystem zeichnet sich heute durch die Präsenz zweier großer Lager aus (CDU und SPD), die von kleineren Richtungsparteien flankiert werden (FDP, Grüne, Linke). In der Politikwissenschaft spricht man daher vom Polarisierten Pluralismus.


    Weiterführende Literatur:

    Rudzio, Wolfgang, 2006: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland
    7., aktualisierte und erweiterte Auflage
    Oldenburg: Verlag für Sozialwissenschaften

    Schmidt, Manfred G.,2007: Das Politische System Deutschlands
    Heidelberg: Verlag C.H. Beck
    Last edited by Calypso; 10.05.2009 at 15:50. Reason: Mitgliederzahlen aktualisiert

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