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Thread: Parteienlexikon Österreich

  1. #1
    doomgiver's Avatar
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    Default Parteienlexikon Österreich

    Vorgestellt werden alle Parteien die nach den Nationalratswahlen 2006 im Parlament vertreten waren. Die Reihung erfolgt nach Mandatsstärke, beginnend mit der stärksten.

    Nach Ende des 2. Weltkrieges war Österreich 10 Jahre lang von den Alliierten besetzt, die zuerst auf eine Konzentrationsregierung von SPÖ, ÖVP und auf Druck der Sowjetunion die Kommunistische Partei Österreichs, die aber nach der Auflösung der Konzentrationsregierung bald in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Bei den ersten freien Wahlen durften die ehemaligen Nationalsozialisten nicht wählen, bei der nächsten aber schon. Deshalb begann die Parteien bald sich um deren Gunst zu werben, was die angestrebte Entnazifizierung untergrub. Neben den großen Parteien etablierte sich vor allem der Verband der Unabhängigen (VdU) als Auffangbecken für Deutschnationale. Dieser ging in den 50ern in der FPÖ auf. Als Folge der 68er-Bewegung und der stärker werdenden Umweltbewegung kam es 1986 zur Gründung der Grünen Partei. Die letzte Parteineugründung erfolgte 2005 als der ehemalige FPÖ-Parteivorsitzende Jörg Haider sich aufgrund interner Streitereien mit Bundesregierungsmitgliedern seiner Partei und der Kärntner Landespartei von der FPÖ abspaltete und das BZÖ gründete.

    Nach 1945 hatten die vorher zerstrittenen Großparteien den beschlossenen für Österreich eng zusammenzuarbeiten. Sie teilten praktisch das ganze Land unter sich auf (Proporzsystem), zahlreiche Posten in der verstaatlichten Industrie uvm. Daraus entwickelte sich eine Art "Schattenregierung", die sogenannte Sozialpartnerschaft bestehend aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) der eng mit der SPÖ verbunden ist und der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) die eng mit der ÖVP verbunden ist. Diese handeln unter anderem die Kollektivverträge aus, sind aber auch in vielen anderen Fragen sehr einflussreich.
    Bis in die 80er wurde Österreich entweder von einer großen Koalition aus ÖVP und SPÖ oder von einer dieser Parteien mit absoluter Mehrheit regiert. Nach einer Unterbrechung von 1983 bis 1986 (SPÖ-Koalition mit der FPÖ die beendet wurde, weil Jörg Haider zum Vorsitzenden gewählt wurde). Gegen Ende der 90er Jahre zeigte die Große Koalition starke Ermüdungserscheinungen, was viel zum Aufstieg von Jörg Haider beitrug. Dies führte 1999 dazu, dass die FPÖ erstmals in ihrer Geschichte den 2. Platz bei Nationalratswahlen belegte, hinter der SPÖ und vor der ÖVP. Deren Obmann Wolfgang Schüssel ging eine Koalition mit der FPÖ ein, die Europaweit zu Protesten führte, da es bis dahin ein Tabu war, Koalitionen mit rechtsextremen Parteien zu führen. Die ÖVP spielte den unerfahrenen Partner an die Wand, was dazu führte, dass die FPÖ an inneren Reibereien beinahe zerbrach. Es kam zu Neuwahlen, die die ÖVP mit großem Abstand auf Platz eins gewann. Sie gewann fast alle Stimmen von der FPÖ dazu, dementsprechend stark verlor diese. Dennoch kam es danach wieder zu einer Koalition dieser beiden Parteien. In der FPÖ kehrte allerdings keine Ruhe ein, was zur Gründung des BZÖ führte.

    SPÖ - Sozialdemokratische Partei Österreichs
    („Die Roten“)
    Die SPÖ wurde im 19. Jahrhundert als Sozialistische Arbeiterpartei gegründet. 1934 wurde sie vom austrofaschistischen Diktator Dollfuß verboten, ihre Mitglieder verfolgt, was zu einem kurzen Bürgerkrieg führte. Nach 1945 gründete die Partei sich neu als Sozialistische Partei Österreichs. 1991 änderte der Vorsitzende Franz Vranitzky den Namen in Sozialdemokratische Partei Österreichs.

    Die SPÖ stellte den wohl berühmtesten Bundeskanzler der zweiten Republik, Bruno Kreisky, der in Österreich zahlreiche Reformen durchführte, da er lange Jahre mit absoluter Mehrheit regieren konnte. Er schaffte unter anderem die Aussöhnung der Partei mit der katholischen Kirche.
    Der SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky war es, der als erster hoher Repräsentant Österreichs bei einem Besuch in Israel die Mitschuld der Österreicher am 2. Weltkrieg und am Holocaust eingestand.
    Von der europaweiten Krise der sozialdemokratischen Parteien blieb auch die SPÖ nicht verschont. Sie scheint den Spagat zwischen ihrem Ursprung und einer neoliberalen Politik nicht zu schaffen. Die ehemaligen Stammwähler, die Arbeiter, sind großteils zur FPÖ abgewandert. Heute stützt sich die SPÖ vor allem auf Pensionisten als Wähler.
    Nachdem die SPÖ von 2000 bis 2006 die ungewohnte Rolle der Oppositionspartei einnehmen musste, gelang es ihrem damaligen Vorsitzenden Alfred Gusenbauer 2006 wieder den ersten Platz zu belegen, was vielfach auch auf einschneidende Reformen des damaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel und dessen schlechte Beliebtheitswerte zurückzuführen ist. Bei allen Wahlen in dieser Zeit konnte die SPÖ zumindest leichte Gewinne verzeichnen, ging jedenfalls nie als Verlierer hervor, und konnte zwei Bundesländer, die bisher immer von der ÖVP regiert waren, gewinnen.
    Alfred Gusenbauer ging mit der ÖVP eine Koalition ein, musste aber zahlreiche Wahlversprechen brechen, was ihm massive Kritik aus den eigenen Reihen einbrachte, die nie verstummte, sodass er im Jahr 2008 freiwillig seinen Parteivorsitz an Werner Fayman, der über sehr gute Medienkontakte verfügt, abgab, aber Kanzler blieb. Nur Wochen später kündigte die ÖVP die Koalition auf, was das Ende der Kanzlerschaft Gusenbauers bedeutete, da Werner Faymann nun auch Spitzenkandidat wurde.

    ÖVP - Österreichische Volkspartei
    („Die Schwarzen“)
    Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Christlich-Soziale Partei gegründet. 1933 ging diese in der Vaterländischen Front auf. Diese war, nachdem Engelbert Dollfuß das österreichische Parlament ausgeschaltet und einen autoritären Ständestaat erreichtet hatte, die einzig erlaubte Partei. Deren Diktatur endete mit dem Anschluss Österreichs an das 3. Reich. Nach 1945 wurde die Partei als ÖVP neu gegründet.
    Die ÖVP ist in gewissem Sinne eine zerrissene Partei. Einerseits aufgrund ihrer Ideologie, andererseits aufgrund ihrer Organisation. Inhaltlich versucht die ÖVP den Spagat zwischen Katholizismus, dem die Partei seit der Gründung nahe steht und konservativer Weltanschauung einerseits, und Wirtschaftliberalismus andererseits. In den Konflikten der letzten Zeit setzte sich Letzterer immer öfter durch. Die ÖVP ist dezentral in Bünden organisiert, die sehr oft widersprüchliche Ziele verfolgen. Beispiele dafür sind der Bauernbund, der trotz des geringen Anteils von Landwirten an der Bevölkerung großen Einfluss in der Partei hat, und der Wirtschaftsbund. Diese Uneinigkeit führte dazu, dass die ÖVP zwischen den 70er und den 90er Jahren nie stärker als die SPÖ wahr, da sie meist damit beschäftigt war, sich selbst zu zerfleischen und den eigenen Obmann zu stürzen. Erst Wolfang Schüssel gelang es die Partei zu einen, sodass er trotz des katastrophalen Wahlergebnisses von 1999 (erstmals nur der dritte Platz) Koalitionsverhandlungen führen, und letztlich Bundeskanzler werden konnte. Nach der Wahlniederlage 2006 rückte Wolfang Schüssel ins zweite Glied zurück und wurde Klubobmann. Neuer Vorsitzender wurde Wilhelm Molterer, der in der folgenden Koalition mit der SPÖ Vizekanzler wurde, und nun als Spitzenkandidat in nächste Wahl geht.

    Die Grünen – Die Grüne Alternative
    („Die Grünen“)
    Die Kampagne gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf im Jahr 1978 gilt vielfach als Geburtsstunde der österreichischen Grünen. Ein weiteres wichtiges Datum markiert das Jahr 1984, als erfolgreich Widerstand gegen das Donaukraftwerk Hainburg geleistet wurde. Die Wurzeln der Grünen reichen bis in die 68er-Bewegung zurück, und auch zur Friedensbewegung der 80er Jahre bestand eine enge Beziehung.
    Auch wenn die Grünen bisher noch nie in einer Bundesregierung vertreten waren, gibt es in den letzten Jahren unter dem Bundessprecher Alexander Van der Bellen einen starken Zug zur Macht, der mit der ursprünglichen Bewegung wenig zu tun hat. Auch sonst sind die Grünen inzwischen eine etablierte Partei.
    Neben dem Umweltthema setzten sie vor allem auf soziale Themen und machen sich für Minderheiten (Ausländer) und Frauen stark. 2006 belegten die Grünen erstmals den dritten Platz bei Nationalratswahlen, ein Umstand der aber mehr der Schwäche der FPÖ (nach Abspaltung des BZÖ) geschuldet war, als der eigenen Stärke. Im Hinblick auf kommende Nationalratswahlen scheint eine Verteidigung von Platz drei vollkommen ausgeschlossen.

    FPÖ - Freiheitliche Partei Österreichs
    ("Die Blauen")
    Die FPÖ ging in den 50er Jahren aus dem VdU, einem Auffangbecken für ehemalige Nationalsozialisten hervor. Doch die Partei blieb nicht am rechten Rand kleben , und entwickelte zunehmend liberale Züge. Da es in Österreich keine klassische liberale Partei gibt, gingen Menschen mit dieser Gesinnung zur FPÖ. 1986, die FPÖ war gerade Partner der SPÖ in der großen Koalition, wurde der inzwischen berühmte Rechtspopulist Jörg Haider zum Vorsitzenden der FPÖ gewählt, was die liberale Tendenz die es unter seinem Vorgänger Steger geben hatte, zum Erliegen brachte. Die SPÖ kündigte daraufhin die Koalition auf.
    Unter dem Rechtspopulisten Haider schien der Aufstieg der FPÖ unaufhaltsam. Gekonnt schürte er Ängste und instrumentalisierte diese. Auch die Abspaltung der Liberalen Parteimitglieder (die zur Gründen des Liberalen Forums (Lif, eine inzwischen bedeutungslose Partei) führte, schadete nur kurzfristig.
    1999 belegte die FPÖ Platz zwei bei den Wahlen, und machte den drittplatzierten Wolfang Schüssel zum Kanzler. Bald begann sich zu zeigen, dass die FPÖ als populistische Partei kaum regierungsfähig war. Waren in der ersten Regierung Schüssel noch fähige Politiker in Ministerämtern vertreten, denen die Parteibasis den Gehorsam verwehrte (was 2002 zu Neuwahlen führte bei denen die FPÖ schwere Verluste erlitt), kamen ob der dünnen Personaldecke danach teils merkwürdige Gestalten zu höheren Ämtern, die internationalen Spott auf sich zogen. Jörg Haider, der Landeshauptmann von Kärnten war, aber den Parteivorsitz bereits 2000 abgeben hatte, war die ganze Zeit über der Starke Mann im Hintergrund. Doch nachdem erneut eine Koalition mit der ÖVP eingegangen wurde, regte sich starker Widerstand in der Partei. Nachdem sich Haider der Gefolgschaft nicht mehr sicher sein konnte, kam es zur Gründung des BZÖ. Die FPÖ hatte danach nur noch eine Parlamentsabgeordnete (alle anderen wechselten mit Haider zum BZÖ), aber saß auf einem großen Schuldenberg. Bis auf Kärnten folgte aber keine Landesorganisation Jörg Haider, dessen Zauber außerhalb Kärntens endgültig gebrochen war. Der neue Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache schaffte es, die Partei zu konsolidieren. Bei den Wahlen 2006, vor allem aber bei den Regionalwahlen seither, ist der Aufwärtstrend sichtbar. Kritiker werfen Strache vor, eine billige Kopie des jungen Jörg Haider zu sein, da er denselben rechtspopulistisch, teils beleidigenden, provozierenden und menschenverachtenden (Ausländerfrage) Kurs wie dieser fährt. Für die nächsten Nationalratswahlen werden der FPÖ deutlich über 20 % prognostiziert.

    BZÖ - Bündnis Zukunft Österreich
    ("Die Orangen")
    Das BZÖ wurde 2005 von Jörg Haider gegründet, nachdem seine ursprüngliche Partei, die FPÖ, ihm den Gehorsam verweigerte. Die Partei war von Anfang an nur in Kärnten, wo Jörg Haider Landeshauptmann und immer noch sehr beliebt ist, erfolgreich. In Restösterreich hat sie bisher nur in der Stadt Graz bei Wahlen einen Erfolg verzeichnen können. In einigen Bundesländern ist die Partei faktisch nicht existent, in andern sitzt sie nach erfolglosen Wahlkämpfen auf hohen Schuldenbergen. Im Nationalrat ist das BZÖ wegen der vielen Stimmen aus Kärnten vertreten, in den restlichen Bundesländern wurden nur zwischen 1-3 % der Stimmen der Wahl 2006 erreicht. Das BZÖ versuchte sich anfangs als liberale Wirtschaftspartei (die aber globalisierungskritisch ist) zu positionieren, was aber nicht funktionierte, weshalb man bald zum alten rechtspopulistischen Kurs zurückkehrte. Ob das BZÖ den Einzug ins Parlament nochmals schafft, ist ungewiss.
    Last edited by Calypso; 12.07.2008 at 20:09. Reason: kleine orthographische Korrekturen (Inhalte sind unverändert)
    Quitzlipochtli|Stiller|kafkaesk|1986


    fuavarra
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  2. #2
    fuavarra is offline geistig Abwesend
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    Default AW: Parteienlexikon Österreich

    Nicht uninteressant, auch wenn es die meisten wohl kaum lesen dürften. Als halbwegs gebildeter Österreicher sollte das meiste zum Grundwissen gehören. Leider ist dem nur selten so.

    “ladida”

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