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Thread: Schattenjahre - Erster Zyklus: Schreckensherrschaft

  1. #1
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    Buch I: Der Schatten des Feuers - Die neun Prophezeiungen

    „Das Goldene Kaiserreich Âncilâmâr umspannte die gesamte bekannte Welt. Es wurde beherrscht von einem ebenso weisen wie gütigem Herrscher, der es seinen Untertanen an nichts mangeln ließ. Überall herrschte Frieden und Überfluss. Doch aus den Geborstenen Landen im Nordosten näherte sich unaufhaltsam ein Schatten, der diesen Frieden bedrohte. Schon bald würde Âncilâmâr wieder zu den Waffen greifen und sich im Kampf beweisen müssen – in einem Kampf, der alle Kraft der Menschen und Aelvian erfordern würde.“
    Aus den Schriften Bhivals



    Prolog – Das Tor von Mâghnâr

    Wie jeden Tag saß der Torwächter vor den schweren bronzenen Flügeln des Tores von Mâghnâr. Die Flügel waren so dick wie eine Stadtmauer und reich mit Ornamenten und Schriftzeichen geschmückt, die noch aus einer Zeit vor der Gründung des Kaiserreiches stammten. Der Wächter gähnte herzhaft. Er hatte wirklich die einfachste Aufgabe, die man im gesamten Kaiserreich haben konnte. Es war ein Kinderspiel dieses Tor zu bewachen. Keiner innerhalb des Reiches war so dumm, es durchschreiten zu wollen, denn dahinter lagen die Geborstenen Lande, jene Regionen, die im mythischen Götterkrieg vor Äonen verwüstet worden waren. Dort lebte nichts und niemand, also würde auch niemand versuchen, widerrechtlich durch das Tor in das Reich einzudringen. Der Wächter setzte sich ein wenig bequemer auf seinem Holzschemel zurecht und kratzte sich am Kopf wie immer wenn er angestrengt nachdachte. Diesmal dachte er darüber nach, ob er lieber Schwein oder Rind zu Mittag essen sollte, aber seine Gedanken wurden empfindlich gestört, durch ein merkwürdiges, schabendes Geräusch; an sich nichts ungewöhnliches, nur dass das Geräusch von der anderen Seite des Tores an seine Ohren drang!
    Beunruhigt erhob sich der Wächter und seine Hand griff nach dem Signalhorn, das neben ihm auf dem Boden lag. Gleichzeitig zog er mit der anderen Hand das Kurzschwert das er an der Seite trug und trat einige Schritte an das gewaltige Tor heran.
    „W-wer da?“, rief er zaghaft und versuchte vergeblich, seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen.
    Anstatt einer Antwort drang lediglich ein zischelndes Geräusch an seine Ohren, das er nach einiger Zeit als eine Form des höhnischen Lachens interpretierte.
    „Wer da?“, rief er noch einmal.
    Diesmal bekam er nicht einmal ein Lachen zur Antwort. Stattdessen musste er mit schreckgeweiteten Augen mit ansehen, wie sich langsam aber unaufhaltsam die schweren Riegel des Tores zurückschoben. Als auch der letzte Riegel zurückgeglitten war, begannen die schweren Torflügel, sich zu öffnen.
    Der Wächter setzte das Horn an seine Lippen und blies kraftvoll hinein, doch kein Ton kam hervor. Panisch warf sich der Mann herum und wollte fliehen, aber es war schon zu spät.
    „Nein, Mensch. Du wirst diesen Ort nicht verlassen.“, flüsterte dieselbe zischelnde Stimme, die ihn vorher ausgelacht hatte.
    Der Wächter wurde von einer unsichtbaren Kraft zu Boden gedrückt. Er spürte, wie sich ein Schatten über ihn senkte. Dann ergriff ihn erneut diese seltsame Kraft und drehte ihn langsam auf den Rücken, so dass er sehen konnte, was da durch das Tor geschritten kam. Bevor er aufschreien konnte war er tot.

    „Der Schatten der Vergangenheit hatte das Tor von Mâghnâr durchschritten. Nach unzähligen Millennien hatte er die Ketten gesprengt, die ihn an die Geborstenen Lande banden und streckte seine Klauen nach dem Kaiserreich aus um es erneut in Chaos und Verderben zu stürzen...“
    Aus den Chroniken Âncilâmârs



  2. #2
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    *räusper*
    Ich habe mir mal erlaubt, der Story bereits jetzt 5 Sterne zu geben - kenne ja schon den weiteren Verlauf!

    Die Machart der Geschichte gefällt mir außerordentlich gut!
    So etwas kenne ich bisher nicht, dass eine Geschichte an der richtigen Stelle von Prophezeiungen (oder eben anderen, eigenständigen Dingen) unterbrochen, wobei ich eher "untermalt" sagen möchte, wird!

    Wirklich erstklassig geschrieben!
    Dieser Post wurde manuell erstellt.

  3. #3
    The Breathtaker Gast

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    Schön,finde ich schonmal interessant.
    Ich verstehe nicht was meta mit diesen prophezeiungen meint...abe rwerde ich wohl noch sehen.

  4. #4
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    Quote Originally Posted by The Breathtaker
    Schön,finde ich schonmal interessant.
    Ich verstehe nicht was meta mit diesen prophezeiungen meint...abe rwerde ich wohl noch sehen.
    Na, ich meine die Textauszüge da... ^^
    Dieser Post wurde manuell erstellt.

  5. #5
    The Breathtaker Gast

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    Quote Originally Posted by Metatron
    Na, ich meine die Textauszüge da... ^^
    Di kleinen...?Ich kenne sowas aus anderen büchern seiten lang...

  6. #6
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    Kapitel I - Dämmerung

    Brânick beeilte sich, die steinernen Stufen hinaufzueilen, die zum Thronsaal des Palastes führten. Zwar war es mitten in der Nacht, aber der Kaiser selbst hatte nach ihm verlangt und so war Brânick in seine Kleider geschlüpft, hatte sich sein Kettenhemd übergestülpt und war dem kaiserlichen Aufruf gefolgt so schnell es ihm möglich war.
    Nach einer Ewigkeit wie ihm schien erreichte er die Doppeltür des Thronsaales, die wie immer von zwei grimmig dreinschauenden Wachmännern flankiert wurde. Als sie Brânick sahen verneigten sie sich knapp. „Der Kaiser erwartet euch bereits Kriegsmeister.“, sprach einer von ihnen und klopfte dreimal gegen das polierte Holz der Tür, welche daraufhin geräuschlos aufschwang. Brânick rannte förmlich an den Wachen vorbei und betrat den Saal. Das Licht vieler Kerzen reflektierte sich in den schwarzen Marmorwänden und der Kaiser selbst saß auf seinem schlichten Steinthron gegenüber der Tür. Er war ein hochgewachsener, stattlicher Mann obwohl er nicht mehr der Jüngste war. Sein Haar war schon lange weiß geworden und sein Gesicht war gezeichnet von den langen Jahren seines Lebens. Für gewöhnlich strahlten jedoch die blauen Augen des Kaisers wie die eines Jünglings, immer voll der Hoffnung und der Ideen. Doch in dieser Nacht waren die Augen stumpf und zum ersten Mal seit Brânick seinen Dienst als Kriegsmeister angetreten hatte wurde ihm bewusst, wie alt der Kaiser eigentlich war.
    „Eure Majestät?“, sprach er und verneigte sich demutsvoll.
    „Erhebt euch, erhebt euch.“, entgegnete der Kaiser und winkte ihm mit der Hand die, wie der Kriegsmeister erstaunt bemerkte, stark zitterte.
    „Warum habt ihr mich rufen lassen, mein Kaiser?“, fragte er dann, bemüht, das Zeichen der Schwäche zu ignorieren.
    Der Kaiser hob den Kopf und sah Brânick lange an. Immer wieder öffnete er den Mund und versuchte, etwas hervorzubringen, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Schließlich trat Jhiarl, der Berater des Kaisers, aus seiner angestammten Nische hinter dem Thron hervor und fixierte Brânick mit einem Blick seiner eisgrauen Augen. Brânick hatte den Berater noch nie ausstehen können. Er war hager und bleich wie ein Verstorbener. Immerzu hüllte er sich in viel zu weite, schwarze Gewänder und immerzu stand er wie ein Schatten hinter dem Kaiser und manipulierte ihn mit seinen Einflüsterungen. „Seine Majestät ließ euch rufen, da sich ein besorgniserregendes Ereignis im Nordosten des Reiches zugetragen hat.“, sprach der Berater mit seiner ihm eigenen monotonen und gelangweilten Stimme.
    „Im Nordosten?“, echote Brânick tonlos und blickte auf.
    „Im Nordosten.“, nickte Jhiarl. „Das Tor von Mâghnâr wurde geöffnet.“



    „Wenn das verfluchte Tor von Mâghnâr sich auftun wird, werden die Neun Schatten wieder auf Erden umgehen und das Reich wird sich wandeln.“
    Aus den Prophezeiungen des Aniûn, Buch XIII, Seite 10019



    Brânick verlor beinahe das Gleichgewicht. Das war schlichtweg unmöglich!
    „Das kann nicht sein!“, schnappte er.
    „Es gibt Zeugen.“, sprach Jhiarl. „Es gibt sogar einen Toten; wir fanden ihn heute morgen. Es war Briul, der Torwächter.
    „Was hat ihn getötet?“, fragte Brânick.
    „Das ist der Grund, aus dem wir euch gerufen haben, Kriegsmeister.“, schaltete sich nun auch endlich der Kaiser ein. „Es ist ein äußerst rätselhafter Tod. Der Torwächter wurde weder durch eine Waffe getötet, noch starb er durch andere äußere Einflüsse. Das einzige was wir fanden war eine Art...“, der Kaiser machte eine kleine Pause, offenbar suchte er nach einem passenden Wort, „...Brandmal auf seiner Stirn.“
    „Was für ein Brandmal?“
    „Ein schwarzes Mal.“, antwortete der Kaiser. „in der Form eines neunzackigen Sterns.“
    Ein neunzackiger Stern...



    „Am Tor wird gefunden werden ein Mann, gezeichnet mit dem Mal der neun Dunklen Seelen und er wird der Anfang sein vom Ende der Menschen und Aelvian.“
    Aus den Prophezeiungen des Aniûn, Buch XIII, Seite 10023



    Brânick wand sich unbehaglich.
    „Ganz recht, Kriegsmeister.“, nickte der Berater des Kaisers ernst. „Die ersten der neun Prophezeiungen haben sich erfüllt. Wir müssen verhindern, dass auch die restlichen eintreten. Nehmt euch so viele Männer wie ihr benötigt, untersucht diesen Vorfall und verriegelt das Tor wieder.“
    „Wie ihr wünscht.“
    Brânick erhob sich, verneigte sich noch einmal zum Abschied und verließ dann raschen Schrittes den Thronsaal.
    Jhiarl und der Kaiser sahen ihm noch nach als seine Schritte schon längst verklungen waren.
    „Glaubt ihr er wird imstande sein, die Schicksalsfäden zu durchtrennen?“, fragte der Berater skeptisch.
    „Ich weiß es nicht.“, erwiderte der Kaiser müde. „Doch ich bin mir sicher wenn es einen lebenden Menschen gibt der dazu imstande ist, dann ist es Brânick.“


    Ende Kapitel I


  7. #7
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    Nun ja...
    Fantastisch geschrieben!

    Sehr passende Wortwahl, exzellente Abfolge der Ereignisse/Gesprächsteile und natürlich Neugier weckender Inhalt!

    Weiter!
    Bei dem Tempo dauert es zwar nicht mehr lange, bis ich mir Unbekanntes lesen kann, aber dennoch...
    Dieser Post wurde manuell erstellt.

  8. #8
    The Breathtaker Gast

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    Endecke ich da etwa herr der ringe anleihen?
    Wie immer knuffig lordiehafte qualität^^

  9. #9
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    Ich bin ein Fan von Lord Anubis' FF's.
    Das hat 3 Gründe:
    1.Die Schreibqualität ist die beste im Forum.
    2.Die Schreibgeschwindigkeit ist atemberaubend.
    3.Ich lese gerne Geschichten, in denen viele Dinge unerwartet passieren
    (ich hoffe doch, dass das hier auch passiert).

    Fazit mach weiter, ich werd die FF auf jedenfall weiterlesen.

    PS:Ich hoffe du schreibst trotzdem an Argalor weiter.
    Last edited by Nichtraucher; 06.03.2006 at 20:28.
    Ich hasse Raucher.
    Lord Anubis, schreib an Legends of Argalor Part III: Heritage of Argalor weiter!!!

  10. #10
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    Kapitel II - Die Schatten werden dunkler


    Brânick nahm sich ein Dutzend der besten Krieger die er auftreiben konnte und beeilte sich, unverzüglich nach Nordosten zu dem verfluchten Tor zu reiten.
    Es war ein langer und beschwerlicher Weg der durch die lebensfeindliche Felseinöde von Kârgoth führte und schließlich, nach einer Woche harter Reise, am Grenzgebirge zu den Geborstenen Landen endete.
    Schließlich erreichten der Kriegsmeister und seine Soldaten das Tor und Brânick gab das Signal zum Anhalten.
    „Stopp Männer!“, rief er. „Wir schlagen unser Lager hier auf und untersuchen die Gegend rund um das Tor!“
    Gehorsam stiegen seine Mannen von den Pferden und begannen unverzüglich mit dem Aufbau eines Lagers. Auch Brânick selbst sprang vom Rücken seines Pferdes, doch er beteiligte sich nicht am Aufbau des Lagers, er wollte sich das offenstehende Tor ein wenig genauer ansehen, welches sich ein wenig vom Lager entfernt vom dunklen Grau der umliegenden Berge abhob. Ehrfurchtsvoll und mit klopfendem Herzen ließ Brânick die flache Hand über die makellose Bronzeoberfläche des Tors streichen.
    „Ein beeindruckendes Tor, nicht wahr, Kriegsmeister?“, zischelte eine Stimme direkt hinter ihm.
    Auf dem Absatz fuhr der so Angesprochene herum, noch im Umdrehen griff seine Hand nach dem Griff seines Schwertes und zog es einmal halbkreisförmig herum; ein fataler Schlag - wenn jemand hinter ihm gestanden hätte.
    „Wer ist da?“, fragte Brânick.
    Ein leises Zischen war die Antwort.
    „Eine trügerisch einfache Frage, Kriegsmeister.“, war die Antwort. „Was wäre wenn ich euch sagte das dort wo ich herkomme einfache Namen oder Bezeichnungen schlichtweg bedeutungslos seien? Dass selbst das, was euch von den Tieren dieser Welt unterscheidet, eure Sprache, im Vergleich zu meiner Welt klingt wie das Grunzen der Schweine?“



    „Und der, welcher keinen Namen hat, wird kommen und die Welt wird brennen...“
    Aus den Prophezeiungen des Aniûn, Buch XIII, Seite 10031



    „Was wollt ihr von uns?“, verlangte Brânick zu wissen ohne auf diese überheblichen Worte einzugehen.
    „Ihr habt ein Talent dazu, Fragen zu stellen deren Antworten ihr nicht begreifen würdet.“, erwiderte die Stimme nach einigen Augenblicken der Stille. „Also werde ich euch die Antwort einstweilen vorenthalten. Aber nun entschuldigt mich; es gibt noch vieles, das ich vorbereiten muss.“
    Etwas, das sich wie ein eiskalter Luftzug anfühlte, wehte an Brânicks Gesicht vorbei und er wusste, dass er wieder allein war. Zögernd ließ der Kriegsmeister das Schwert sinken. Hatte er diese Stimme wirklich gehört? War da wirklich etwas gewesen? Oder hatte die Nähe zu den Geborstenen Landen nur seine Sinne vernebelt und ihn schwachsinnig werden lassen? Erneut spürte er einen Luftzug im Gesicht, diesmal kam er durch den Spalt zwischen den beiden Torflügeln. Brânick versuchte erst gar nicht, die Flügel wieder zuzuwuchten, er wusste nur zu gut, dass dies unmöglich war wenn das Tor erst einmal offen stand. Stattdessen beeilte er sich lieber, zurück zum Lager und zu seinen Leuten zu kommen.

    Ende Kapitel II

    -------------------------------------------

    Kapitel III – Der Verbotene Pfad


    Kurze Zeit später erreichte Brânick die Stelle, an der sie angehalten hatten. Die Pferde waren allesamt angebunden und mit Futter versorgt worden und zwei kleine Lagerfeuer vertrieben zumindest einen kleinen Teil der umliegenden Dunkelheit.
    Kaum war der Kriegsmeister einen Schritt in das Licht getreten, da kam einer seiner Männer auf ihn zu; Ghûrin, sein Stellvertreter. Brânick nickte knapp.
    „Habt ihr schon etwas entdeckt, Kriegsmeister?“, fragte der andere und verbeugte sich respektvoll.
    Brânick überlegte kurz. Für gewöhnlich weihte er zumindest Ghûrin immer in seine Pläne ein und behielt keine Geheimnisse für sich. Andererseits waren die Dinge, die sich am Tor ereignet hatten, schon zu unglaubwürdig.
    „Nein.“, antwortete er nach einer Weile. „Bisher konnte ich nichts finden; vielleicht haben wir morgen bei Tageslicht mehr Erfolg.“
    Er legte sich neben eines der Lagerfeuer und wickelte sich in eine Decke, doch der Schlaf wollte ihn nicht ereilen. Noch als alle seine Männer tief schliefen sah der Kriegsmeister stumm zum Himmel und dachte nach.
    Schon drei der neun Prophezeiungen waren in Erfüllung gegangen... und wie alle Bewohner des Kaiserreiches wusste auch Brânick nur zu genau was geschehen würde sollte sich auch die letzte von ihnen erfüllen. Die Zeit des Reiches würde enden; der Kaiser würde gestürzt werden und Chaos und Anarchie würden Einzug in Âncilâmâr einhalten. Die Welt so wie Brânick sie kannte würde untergehen. Entschlossen setzte sich der Kriegsmeister auf. Das musste verhindert werden! Er tastete neben sich nach seiner Waffe und erhob sich. Er konnte einfach nicht bis zum nächsten Morgen warten; er musste sich das Tor noch einmal genauer ansehen. Als er das Schwert schließlich in Händen hielt machte er sich auf den Weg.



    „Er hat den Ruf vernommen.“, stellte die zischende Stimme zufrieden fest. „Alles verläuft genau nach Plan.“



    Der Kriegsmeister erreichte das bronzene Tor. Verwundert kniff er die Augen enger zusammen. Irrte er sich oder hatten sich die Flügel ein wenig weiter geöffnet? Was hätte diese schweren Torflügel bewegen können wenn nicht Dutzende von Menschen? Brânick kniete sich nieder und untersuchte den Boden um das Tor herum, in der Erwartung, dort frische Fußspuren zu finden, aber er fand überhaupt nichts. Der Boden war glatt wie gefegt und nicht einmal eine einzige Spur ließ sich auffinden, geschweige denn ein ganzes Dutzend.
    Stirnrunzelnd stand der Kriegsmeister wieder auf, nur um zum dritten Male an diesem Tag von einem eisigen Lufthauch gestreift zu werden.
    „Ihr seid also zurückgekommen.“, stellte die Stimme fest.
    „Jetzt zeigt euch endlich!“, forderte Brânick und wirbelte im Kreis herum. „Ich will sehen mit wem ich rede!“
    „Ihr werdet mich früh genug zu Gesicht bekommen, Kriegsmeister.“, wisperte die Stimme. „Doch zuerst müsst ihr das Tor durchschreiten. Ihr werdet eure Antworten nicht hier finden. Nicht in diesem Reich. Wenn ihr wirklich wissen wollt was um euch herum geschieht kommt in die Geborstenen Lande.“
    „In die Geborstenen Lande?“, wiederholte Brânick und lachte auf. „Seid ihr noch ganz richtig im Kopf? Jeder weiß, dass hinter dem Tor Dämonen und andere dunkle Wesen ihr Unwesen treiben und nur auf die Dummen lauern, die dieses Tor durchschreiten!“
    „Ah, jeder weiß das also. Woher bezieht ihr dieses Wissen wenn nach eurer Auffassung niemand dumm genug ist, das Tor zu durchschreiten?“
    Brânick setzte zu einer Antwort an, doch nichts Sinnvolles wollte über seine Lippen kommen.
    „Da seht ihr es!“, rief die Stimme und zum ersten Mal glaubte der Kriegsmeister, so etwas wie Verachtung in ihr wahrzunehmen. „Ihr und die Aelvian, ihr seid so verblendet und glaubt ihr wäret die Krone von allem, das einzige, was noch unter euren sogenannten Göttern steht! Dinge die ihr nicht versteht, glorifiziert ihr entweder als eure Gottheiten, oder ihr verteufelt sie und bezeichnet sie als böse! Ihr seid erbärmlich und beschränkt. Es war nur richtig, dass wir erschienen um euch die Augen zu öffnen. Und nun durchschreitet dieses Tor wenn ihr eure Art endlich aus den Tälern des Unwissens befreien wollt!“
    Trotz, oder gerade wegen dieser anklagenden Worte konnte Brânick einfach nicht anders als der Aufforderung der Stimme zu folgen. Langsam schritt er auf das Tor zu und schließlich setzte er einen Fuß über die Schwelle.



    „Einer aus dem Volke der Menschen wird den Worten der Schatten erliegen und ihren Verbotenen Pfaden folgen. Dunkelheit wird ihn verschlingen und wenn er wiederkehrt, wird er verändert und verzerrt sein von den Grauen und der Schwärze die seine Augen sahen.“
    Aus den Prophezeiungen des Aniûn, Buch XIII, Seite 10042


    Ende Kapitel III


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