Tides of Destiny
Part 1: Schulstress
Es war noch sehr früh aber es schafften schon einige Sonnenstrahlen in den mit Vorhängen verdeckten Raum. Sein Zimmer war sehr monoton gehalten und die Wände mit blauer Farbe gestrichen, die bereits abblätterte. An einer Wand hing das Poster einer hübschen, jungen Frau, welches er aus einem Herrenmagazin hatte. Direkt daneben stand der robuste Kleiderschrank aus Eichenholz, in dem alle Klamotten untergebracht waren, die er besaß.
Auf der anderen Seite des Raumes, direkt neben dem Bett, befand sich der kleine Durchgang zum Bad, wo er sich waschen und aufs Klo gehen konnte.
Es war genauso einfach gehalten wie sein Wohnbereich und die Fliesen lösten sich. In der Mitte stand ein kleiner Tisch mit einem Stuhl, über dem dreckige Kleidung verteilt war. In der Ecke hinter dem Bett stapelten sich Leergutflaschen und Pizzakartons. Auf einem kleinen Teller lag noch ein angebissener Cheesburger, den er sich mitgenommen hatte, in der Hoffnung ihn noch zu essen.
Marco lag auf der Matratze, die direkt unter dem Fenster platziert war und schlief tief und fest. Seine Decke lag zur Hälfte über ihm aber er war trotzdem tief in seinen Träumen versunken. Der junge Blondschopf war ein 18 jähriger Junge, dessen Eltern vor ein paar Jahren durch ungeklärte Umstände ums Leben kamen.
Eines Nachts war er aus einem schrecklichen Alptraum aufgewacht und seine Eltern waren fort. Angeblich war es eine Entführung mit anschließendem Mord, haben die Polizisten behauptet. Das Jugendamt hatte ihn natürlich ins Waisenhaus gesteckt aber jetzt, mit 18 Jahren hatte sie ihm endlich eine eigene Wohnung beschafft.
Durch diese schwere Zeit waren Marcos Noten etwas abgesunken und seine Aufmerksamkeit wanderte zunehmend zu dem Kartenspiel Duel Monster.
Draußen fuhren zahlreiche Autos, was klar der Nachteil an der Wohnung war. Sie lag direkt an der Hauptstraße und dem entsprechend war der Lärm auch überdurchschnittlich. Der Krach konnte Marco aber nicht aus seinem Schlaf reißen, zumal er es gewohnt war lange aufzubleiben und entsprechend müde war. Erst das Piepsen seines Weckers ließ ihn aus der Traumwelt hoch schrecken:
„Oh, nicht schon wieder… Dieser beschissene Wecker…“
Er strich sich mit seinen Händen durchs Haar und wankte benommen ins Badezimmer, wo er sich schnell etwas wusch, um nicht ganz so müde zu wirken.
Marco schlüpfte in die Jeans und streifte sich ein weißes T-Shirt über. Es war schon förmlich Marcos Markenzeichen aber wirklich besonders wirkte er dadurch nicht. Als letztes griff er die schwarze Stoffjacke vom Stuhl und sammelte seine Schulsachen zusammen.
Nur widerwillig verließ er sein Zimmer und schloss dreimal herum, als auch schon die Stimme des alten Mannes aus der Nachbarwohnung erklang:
„Marco, kannst du uns noch eine Zeitung mitbringen, wenn du von der Schule kommst?“
„Klar doch, Mr. Davids!“, seufzte Marco und schlenderte davon: „…dabei könnten sie selbst mal das Haus verlassen, fauler Drecksack…“
Eilig stiefelte er die Straße entlang, um nicht noch mehr Aufgaben aufgebrummt zu bekommen. Gelegentlich wusch die Frau von Mr. Davids seine Klamotten oder lud ihn zum Essen ein, weshalb er dann bei der Gartenarbeit half.
Als er an der Schule ankam, wurde er bereits herablassend von anderen Schülern angestarrt.
Viele behaupteten, er hätte seine Eltern ermordet und sei ein Psychopath.
Marco ignorierte diese Anschuldigungen immer und lief ohne Umwege zum Physikunterricht.
In seinem Physikkurs hatte er nicht viele Leute, die ihn mochten. Auch der Lehrer Herr Sikus war eher unzufrieden mit ihm was aber auch an seinem Desinteresse in dem Fach lag.
Nach der Doppelstunde sollte der Tag vielleicht etwas besser werden, selbst wenn Sport bei seiner ungesunden Ernährung nicht sein bestes Fach war.
Sein Sportlehrer war ein recht dicker Mann mit grauem Haar und einem blauen Trainingsanzug, der früher einmal Soldat gewesen war. Diesen rauen Ton wahrte er auch bei seinen Schülern. Mr. Stone schrie aufgewühlt herum und pustete in seine Trillerpfeife:
„Antreten! Alle auf die Linie und zwar etwas schneller als sonst, ihr Lahmärsche!“
Alle Schüler rannten sofort auf die weiße Linie, die auf dem Rasen aufgemalt war und versuchten so still zu sein wie es ging. Keiner wollte den Lehrer provozieren:
„Und nun zehn Bahnen um den Platz laufen!“
Die Schüler befolgten die Anweisung aber schon nach drei Bahnen gab es einen ersten Ausfall, als Steve mit Seitenstechen über seine eigenen Füße stürzte. Steve war schon immer der Ungeschickteste und wurde von alle als Verlierer angesehen. Wenn es jemand gab, der weniger beliebt als Marco war, dann er.
Trainer Stone war sofort zur Stelle, um ihn zusammen zu stauchen:
„Du kleines Stück Scheiße! Zwanzig Liegestütze!“
Steve begann zu heulen aber insgesamt konnte Marco diese Sportstunde überleben. Erschöpft und durchgeschwitzt schulterte er seinen Rucksack auf dem Weg zum Geschichtsunterricht, als er plötzlich vor einer Ansammlung aus Schülern stand. Natürlich konnte nur einer im Zentrum des Geschehens stehen: Blake Johnson.
Blake wurde von allen Mädchen der Schule umschwärmt und wurde als typischer Rebell gesehen. Wie immer war der Typ von zahlreichen Mitläufern umringt, während er eine Zigarette im Mund hatte. Mit seinem schwarzen Haar und der schwarzen Lederjacke lehnte er lässig an einem Baum und erzählte von seinen neusten Streichen. Er schien sich mit seinen Freunden über sein neues Kartendeck zu unterhalten aber Marco wusste, dass Blake nur ein Angeber war. Er schüttelte den Kopf und wollte wortlos weiter gehen aber Blake entdeckte den Blondschopf:
„Guck mal, da läuft der Elternmörder!“
Durch diese Anmache blieb der Jugendliche sofort stehen. Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann diese Beschuldigung. Er hatte doch schon genug wegen dieser Kacke erlebt. Wütend ließ er seine Tasche fallen und drehte sich zu Blake um:
„Hast du irgendwelche Probleme?!“
Der Rebell lächelte und schnipste etwas Glut mit seiner Zigarette weg:
„Was denn? Ich habe doch gar nichts gesagt… Obwohl… Wieso reagierst du so, wenn es nicht stimmt!?“
Erbost ging Marco in den Kreis der Schüler und stellte sich vor dem Coolen auf:
„Halt einfach nur die Klappe!“
„Ich habe Recht, richtig?“, bohrte Blake weiter aber da schnellte auch schon Marcos Hand hervor und packte ihn am Kragen seiner Lederjacke. Trotz der geballten Faust, machte Marco nicht weiter. Blake war sichtlich amüsiert:
„Was ist los? Kannst nicht zuschlagen, du Pussi?“
Mit zusammengebissenen Zähnen ließ Marco ihn wieder los und schluckte die Wut herunter, auch wenn er das Gefühl hatte zu platzen. Da machte ihm Blake einen anderen Vorschlag und drückte ihm eine Duel-Disc in den Arm:
„Okay, klären wir das mit einem Duell!“
Etwas irritiert starrte Marco auf die Apparatur an seinem Arm, bevor er einwilligte. Vielleicht konnte er diesem Mistkerl so eine Lektion erteilen. Sie stellten sich ein paar Meter vor einander auf und schon bildete sich ein großer Kreis um die Kontrahenten. Blake war vollkommen von sich selbst überzeugt und aktivierte seine Duel-Disc:
„Regeln wir es lieber so! Dann kriegen wir wenigstens keinen Ärger von den Lehrern!“
Marco: 4000, Blake: 4000
Der coole Schüler fing auch dreist an und legte eine rosa Kreatur mit Krallen auf das Feld:
„Ich rufe Gargoyel-Powered (1600/1200)!“
Das Monster schien real zu werden, was auch der Grund war, dass Duel Monster eigentlich nicht gerne an der Schule gesehen war. Das Wesen stieß bedrohliche Brüllgeräusche aus und Blake zog gelassen an seiner Zigarette. Marco tat es ihm gleich und zog von seinem Blatt:
„Das war ein Fehler mich herauszufordern! Einen Amateur wie dich verspeise ich zum Frühstück!“
Der Blonde war sofort hoch konzentriert und zog eine Karte aus der Halterung, die er dann selbstbewusst auf der Apparatur an seinem Arm platzierte:
„Weil ich kein Monster auf dem Feld habe, du aber schon, darf ich meinen Cyberdrachen (2100/1600) spezialbeschwören!“
Mit einem markerschütternden Brüllen erhob sich eine glänzende Metallschlange, die das Dämonenmonster von Blake schon angriffslustig fixierte aber Marco setzte seinen Zug noch fort:
„Dann rufe ich Jäger im Hinterhalt (1500/600)! Der gute zerstört dein Gargoyel-Powered durch einen Würfelwurf, wenn ich eine Karte dafür aus meinem Blatt abwerfe!“
Ein lila Kobold mit einer schwarzen Uniform hüpfte auf die Kampffläche und erhob eine Strahlenpistole, während der blonde Duellant einen sechsseitigen Würfel zu Boden warf.
Dieser zeigte eine 3, was für ihn ein Grund zur Freude war. Der Jäger lachte schelmisch, dann feuerte er auf den Unterweltler, der einfach in Stücke zersprang.
Blake war geschockt aber Marco war noch immer nicht am Ende:
„Mit Monster-Reanimation hol ich die abgeworfene Karte vom Friedhof zurück! Es war mein geliebter Urmaterialdrache (2400/2000)!“
Ein greller Lichtblitz hüllte den Schulhof ein und schon erhob sich ein goldener Drache aus Energie. Seine sechs Schwingen warfen einen Schatten und ein ohrenbetäubendes Brüllen drang aus seiner Kehle hervor, während er langsam über das Feld hinweg glitt.
Blake war fassungslos und begann sich vor dem kommenden Angriff zu fürchten. Er hatte nichts um sich zu verteidigen und Marco würde alles andere als gnädig sein.
Dieser senkte nur den Daumen und gab den ersten Angriffsbefehl an seinen Jäger aus dem Hinterhalt. Dieser schoss kichernd mit seiner Strahlenpistole und ließ Blake zusammen zucken.
Anschließend spie der Cyberdrache einen blauen Energiestrahl, der eine weitere Kerbe in die Lebenspunkte riss. Die letzten 400 Punkte waren als Appetithappen für den Urmaterialdrachen gedacht, der wieder ein gewaltiges Röhren ausstieß.
Alle Schüler auf dem Hof erzitterten unter dem Gebrüll, als auch schon ein loderndes Inferno um diese glänzende Gestalt aufflackerte und in einer Feuerwalze auf den Gegner nieder ging.
Marco: 4000, Blake: 0
Während Blake beschämt zu Boden sah, sackte Marco plötzlich auf die Knie. Ein Schmerz durchfuhr seinen Körper und ließ ihn schwanken. Die Hologramme lösten sich auf und dann verlor er das Bewusstsein.
Was hatte ihn jetzt nieder gestreckt?