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Thread: Roadkill

  1. #161
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    Quote Originally Posted by Souldragon View Post
    warum weiblich? redest du hier nicht vom Gestein? müsste es nicht "es" und "seinem" sein? Und ich weiß nicht, je länger ich den Satz lese, desto unsicherer bin ich mir, ob "und zeugten so" hier als verbindung wirklich passt. Irgendwas scheint mir da nicht richtig ineinander zu greifen.

    würde sich denke ich etwas besser anhören, wenn man eines der beiden ändert^^


    Ah, schön das sich die Stimmen am Schluss nochmal gemeldet haben, hatte schon befürchtet sie würden dieses Mal schweigsam bleiben^^ Ein Kommentar zur Eiswand oder deren Zerrstörung von ihnen wäre sicherlich auch interessant gewesen. Aber ich mag die Kerle irgendwie, vor allem weil sie die offensichtlichsten, nutzlosen Antworten geben xD
    Und ein Labyrinth ist ein recht effektives Mittel gegen ihn, wie es scheint. Kein offensichtliches Hinderniss, das er einfach nur zurschlagen brauch. Das dürfte ihn wohl eine weile Beschäftigen, falls er nicht gerade eine Glückssträhne hat.
    Das mit dem Eis war auch recht interessant. Diese Adern machen mich ja etwas skeptisch. Vielleicht waren sie nur da, um das Eis zu erhalten, aber vielleicht ist es auch ein Hinweis, dass jemand nun weiß, dass Johnny eingedrungen ist und vielleicht etwas unternehmen wird. Mal schaun, ob da mehr dran hängt oder ob es doch nur eine schicke Wand war^^
    Das "sie" habe ich geschrieben, weil ich an "die Höhle" dachte. xD
    Daher der Fehler. ^^

    btw: Dass du die Stimmen so sehr magst, hätte ich übrigens nicht gedacht. Aber ja, die haben was. ^^

    Roadkill - Abschnitt 46

    „Es hat etwas gedauert, aber wir sind da.“
    Sorgsam schaute sich Grey um. Schon lange waren sie unterwegs gewesen und hatten eisige Wüsten durchquert, aber dass es so schnell gehen würde, hätte er nicht gedacht. Die Wanderung und der stete Druck, Johnny einholen zu müssen, hatte sie zwar zu Höchstleistungen motiviert, aber der viele Schnee und das Eis, das diese Eiseskälte mit sich brachte, hatten trotzallem ihren Weg deutlich erschwert. Und nun waren sie, sofern man Cains Worten Glauben schenken durfte, endlich kurz vorm Ziel. Grey konnte dies kaum glauben. Eine gefühlte Ewigkeit hatte Cain sie durch die Tundren geführt und nun standen sie vor dem Eingang einer Höhle. Dort, wo bei einer Tür die Türschwelle gewesen wäre, türmten sich zahlreiche grünlich schimmernde Eisbrocken auf und vereinzelte Pfützen geschmolzenen Eises, dessen Farbe ebenfalls giftgrün war, zierten den Pfad. Beides hob sich deutlich von der sonst so weißen Umgebung ab. Der Geruch, der an diesem Ort umher ging, war ähnlich ungewöhnlich, denn er war beißend und stank höllisch. Zwar war er undefinierbar, aber dafür brannte er förmlich in der Nase. Grey erinnerte sich in diesem Moment zahlreicher toxischer Mittel und Chemikalien, die ähnlich widerlich rochen, jedoch vermochte er ihn keinem zuzuordnen.
    Er fühlte sich aber in jedem Falle unwohl. Der Boden selbst wirkte verdorben und eine vermutlich einst heilige Stätte war entweiht worden. Die Präsenz einer dunklen Macht erfüllte diesen Ort und raubte ihm das, was ihn einst ausgemacht haben musste. Das zumindest glaubte Grey zu spüren. Die Umgebung machte ihn skeptisch und animierte ihn zu weiterer Vorsicht.
    „Ich bin skeptisch.“, bemerkte Grey. „Ich befürchte, dass wir Johnny noch längst nicht eingeholt haben.“
    „Ach ja?“, fragte Cain grinsend. „Du kannst mir ruhig Glauben schenken. Siehst du nicht diese Eisbrocken?“
    „Ja, ich weiß.“, tat Grey seine Worte ab. „Johnny hatte seine Kräfte verwendet, aber ich befürchte trotzdem, dass wir zu spät kommen könnten. Gewiss ist er bereits am Ziel. Immerhin hat er den Kompass.“
    „Denkst du das wirklich?“, fragte Cain lachend. „Und ich dachte, du kennst dich aus.“
    Grey runzelte, offenbar tatsächlich erstaunt, die Stirn. „Kläre mich bitte auf. Was meinst du?“
    Cain schmunzelte. Er schien froh, dass er es war und nicht Grey, der mehr wusste.
    „Der Kompass wird hier total verrückt spielen. Es ist ausgeschlossen, dass er hier wesentlich weiter kommt, als wir es tun. Außerdem befindet sich im Inneren dieser Höhle ein Labyrinth und der Geruch scheint frisch und hat nichts von seiner Intensität verloren.“ Er tippte sich mehrmals in kurzen Abständen mit dem Zeigefinger an die Stirn. „Hier ist der Verstand gefragt und nicht das Wissen um die Nutzung eines nutzlosen Kompass, also ist es recht wahrscheinlich, dass wir ihn bald eingeholt haben. Der Rest wird ein Kinderspiel werden.“
    Grey seufzte leise auf. „Johnny mag zwar sehr eigen sein und auch nicht unbedingt immer realitätsnah, aber er ist nicht dumm, obwohl er gelegentlich leicht naiv ist. Mache nicht den Fehler ihn zu unterschätzen.“
    „Ich unterschätze ihn nicht.“, behauptete der kleine Junge eingeschnappt. „Er hat immerhin scheinbar problemlos die Barriere dieses Ortes überwunden.“
    In Greys Gesicht zeigte sich schlagartig Überraschung und Verstehen. Er hatte soeben begriffen, dass es sich bei diesen Eisbrocken und den Pfützen um nichts anderes gehandelt hatte, als eine Eismauer, die den gesamten Höhleneingang eingenommen haben musste und als Barriere fungiert hatte.
    Dem Ausmaß dieser Brocken nach, musste sie ziemlich dick gewesen und somit äußert schwer zu durchbrechen gewesen sein. Dass Johnny die komplette Mauer und nicht nur zu einem Bruchteil zerstört hatte, ängstigte ihn etwas. Waren Johnnys Kräfte etwa derartig gewachsen? Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken daran mit diesem Wesen konfrontiert zu werden.
    „Du bist doch nicht etwa nervös, oder?“, fragte Cain interessiert, als er diese Wandlung bemerkt hatte.
    Grey lächelte ihm zu und kurz darauf lächelte auch Cain. Er konnte nicht anders. Etwas in ihm zwang ihn dazu Sympathie für Grey zu empfinden, obwohl er sich nicht erklären konnte woher diese kam.
    „Ein wenig. Aber das legt sich schon noch, wenn es soweit ist.“
    „Na hoffentlich.“, bemerkte der Kleine und sprang eilig voran. Gleich mit einem Satz übersprang er eine jener grünen Pfützen und kam wohlbehalten inmitten der Höhle an ohne auf dem scheinbar feuchten Felsenuntergrund auszurutschen, oder ins Schwanken zu kommen.
    „Kommst du?“, fragte er, als er inmitten der dunklen Höhle stand, und warf einen Blick zurück auf Grey. Dieser lachte leise und folgte, wenn auch weniger überstürzt, dem kleinen Jungen.
    Kaum, dass sie die Höhle betreten hatten, umfing sie Finsternis.
    Grey aber machte dies nur wenig aus. Seine Augen hatten sich, trotz mangelndem Licht, schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Dennoch befürchtete er, dass er, je tiefer sie in die Höhle kommen würden, schnell den Überblick verlieren würden. Er mochte über ungezählte Jahrzehnte Lebenserfahrung mit diesem Körper gesammelt haben, aber seine eigenen Grenzen waren ihm trotz all dieser Zeit noch immer bewusst. Er würde nicht den Fehler begehen sich zu überschätzen und noch weniger den Gegner unterschätzen, ganz gleich welche Gestalt dieser auch annehmen mochte.
    „Nimm meine Hand.“, bat ihn Cain und griff, ohne die Antwort abzuwarten, direkt nach Greys Hand. „Ich übernehme jetzt die Führung.“
    „Okay, geht klar.“, entgegnete Grey und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie froh er eigentlich war, dass sich soeben ein Problem für ihn in Luft aufgelöst hatte.
    „Siehst du die Abzweigung da vorne?“, fragte ihn Cain plötzlich.
    Grey kniff die Augen zusammen und stierte in eine x-beliebige Richtung. Zwar kostete es ihn etwas Anstrengung im Dunkeln etwas zu erkennen, aber nur einen Lidschlag später nickte er. Plötzlich wurde er sich bewusst, dass Cain ihn wohl kaum sehen würde und gab ein knappes „Ja“ von sich.
    Cain aber schien zu schmunzeln. Grey konnte es spüren. Konnte er etwa mehr, als er im Dunkeln sehen? Hatte er vielleicht auch das Nicken bemerkt?
    „Wir müssen nach rechts. Komm.“
    „Du scheinst gut im Dunkeln sehen zu können.“, bemerkte Grey und blickte an die Stelle, wo er Cain vermutete. Dieser lachte kurz auf und blieb stehen. Grey folgte seinem Beispiel.
    „Tue ich nicht. Ich erahne nur Dinge. Manchmal habe ich Eingebungen von Dingen, die ich tun werde, oder die in naher Zukunft geschehen werden. Meistens kriege ich sie kurz bevor, oder genau in dem Moment, in dem ich etwas tue.“
    „Déjà-vus?“, fragte Grey skeptisch. „Du führst uns doch nicht wirklich durch eine stockdüstere Höhle, die zudem noch ein Labyrinth ist, auf Basis deiner Eingebungen?“
    Der Junge aber antwortete nicht. Stattdessen ging er ein paar Schritte voran und zog Grey verlangend hinter sich her, dieser ließ es mit sich machen und folgte Cain schweigend in eine finstere Welt, die fernab allen Lichts gedieh.
    Grey horchte aufmerksam in die Dunkelheit hinein. Gelegentlich vernahm er, wie einzelne Tropfen von der Decke zu Boden fielen, woraufhin das Geräusch des Aufpralls des Wassers von den Wänden widerhallte. Wieder und wieder, begleitet von dem Geräusch zweier Paar Füße.
    Rege blickte sich Grey um. Zwar sah er so gut wie nichts, aber schaden konnte es trotzdem nicht, darum kontrollierte er seine Umgebung auch weiterhin überaus gründlich. Er wusste nicht, ob oder was sie hier drinnen erwarten mochte, aber er spürte, dass hier irgendetwas war. Etwas abgrundtief Böses, das nicht sein sollte. Johnny vielleicht?
    Grey war sich da nicht sicher. Die Aura ebbte ab, je weiter sie gingen und doch blieb das beklemmende Gefühl, dass hier etwas lauern mochte. Grey wusste nur zu gut, dass der Mensch dazu neigte etwas im Dunkeln zu vermuten, aber das hatte gewiss auch seinen Grund.
    „Du musst dich nicht fürchten.“, sagte Cain seelenruhig. „Hier gibt es keine gefährlichen Wesen. Zumindest keine, außer uns.“
    „Ich habe keine Angst.“, entgegnete Grey lakonisch. „Ich bin bloß vorsichtig und gelegentlich etwas paranoid.“
    Cain lachte kurz auf und hielt dann einen kurzen Moment inne. „Ich wusste es doch.“
    „Was wusstest du?“, fragte Grey daraufhin.
    „Ich wusste von Anfang an, dass du ein interessanter Mensch bist.“, erklärte Cain. „Wir sollten dringend miteinander reden, wenn das alles vorbei ist.“
    „Wohl wahr.“, bemerkte Grey. „Das wollte ich dir sowieso vorschlagen, weil ich noch immer ein paar Dinge mit dir klären muss.“
    „Ach? Welche denn?“, fragte Cain. Der Stimme nach war er höchst interessiert.
    Grey schmunzelte. „Es gibt Dinge, die wir noch klären müssen. Es geht um deine Mutter, Johnny, Lucifer, aber auch um dich.“
    „Mich?“, fragte Cain offenbar höchst überrascht.
    „Genau. Aber bevor ich dir irgendwelche Hoffnungen, oder Versprechungen mache, die ich gar nicht halten kann, müssen wir erst mal diese Sache hier hinter uns bringen.“
    „Okay, geht klar.“, antwortete Cain und imitierte so den Ausspruch, den Grey kurze Zeit zuvor getätigt hatte. Dieser bemerkte es, schmunzelte und ergriff das Wort:
    „Komm, lass uns einfach weiter gehen. Bald haben wir ihn. Ich kann es fühlen.“
    „Ich auch. Es ist bald soweit. Ich sehe unser Aufeinandertreffen bereits schemenhaft vor meinem inneren Auge.“, stimmte Cain Grey zu und schritt weiter voran. Grey folgte ihm.
    Last edited by PetrusII; 25.07.2010 at 23:14.





    Das Wesen der Idee - Es geht weiter

    "Nur wer das Spiel mit dem Feuer nicht beherrscht, verbrennt sich die Finger."



  2. #162
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    aber der viele Schnee und das Eis, das diese Eiseskälte mit sich brachte, hatte trotzallem ihren Weg deutlich erschwert.
    das "hatte" kann so bleiben, wenn du nur das Eis meinst. Wenn Schnee und Eis behindert haben, solltest du ein "hatten" drauß machen
    und "trotz allem" wird glaube ich auseinander geschrieben
    Die Präsenz einer dunklen Macht erfüllte diesen Ort und raubte ihm das, was ihn einst ausgemacht haben musste. Das, was diesen Platz einst ausmachte, war fort und für immer zerstört worden.
    Also diese Wiederholung ist mir ein wenig zu offensichtlich^^ Wo ich das so gelesen habe dachte ich: "Hatten wir das nicht gerade?" Sieht für mich jetzt auch nicht unbedingt wie Stilmittel aus.
    Zwar kostete es ihn etwas Anstrengung im Dunkeln zu erkennen
    hier fehlt etwas, nämlich was erkennt er? Würde sich zumindest in Verbindung mit erkennen besser anhören, wenn dieses "was" noch drin steht. Würde mit "sie" oder "es" denke ich gleich gut funktionieren


    Ah, hier zeigt sich also der Vorteil den die beiden gegenüber Johnny haben, der momentan vielleicht sonstwo herumirrt. Und Déjà-vus also, so so
    Natürlich auch mal schön zu sehen, das Cain nicht völlig unterlegen ist gegenüber Grey^^

  3. #163
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    Quote Originally Posted by Souldragon View Post
    das "hatte" kann so bleiben, wenn du nur das Eis meinst. Wenn Schnee und Eis behindert haben, solltest du ein "hatten" drauß machen
    und "trotz allem" wird glaube ich auseinander geschrieben

    Also diese Wiederholung ist mir ein wenig zu offensichtlich^^ Wo ich das so gelesen habe dachte ich: "Hatten wir das nicht gerade?" Sieht für mich jetzt auch nicht unbedingt wie Stilmittel aus.

    hier fehlt etwas, nämlich was erkennt er? Würde sich zumindest in Verbindung mit erkennen besser anhören, wenn dieses "was" noch drin steht. Würde mit "sie" oder "es" denke ich gleich gut funktionieren


    Ah, hier zeigt sich also der Vorteil den die beiden gegenüber Johnny haben, der momentan vielleicht sonstwo herumirrt. Und Déjà-vus also, so so
    Natürlich auch mal schön zu sehen, das Cain nicht völlig unterlegen ist gegenüber Grey^^
    Das kommt zwar etwas spät von mir, aber danke fürs Bewerten. =)

    Ich war "leider" (Leider ist gelogen, weil ich hatte eine Menge Spaß, also hat es sich auch gelohnt) ziemlich viel zu tun, daher kommt erst jetzt das nächste Kapitel:

    Roadkill - Abschnitt 47

    Johnny keuchte auf. Er schnaufte und sog die frische Luft durch die Nase ein. Schweiß troff von der Stirn und perlte langsam an seiner Stirn gen Erdboden. Die Kleidung haftete schweißgetränkt an seinem Körper an. Ewig hatte er gehen müssen, um das Ende der Höhle zu erreichen. Der Weg war lang und beschwerlich gewesen. Mehrmals war er auf eine Sackgasse gestoßen und hatte umkehren müssen. Und stickig war es gewesen… und düster. Labyrinthe hatte er nie gemocht. Nun wusste er auch wieder warum.
    Er schnaufte. „Endlich hat dieser Irrgarten ein Ende.“, murmelte er und besah sich seine Umgebung, die so völlig anders war, als all jene, die er zuvor gesehen hatte.
    Dunkel, nicht hell war diese Welt, ganz ähnlich wie damals, als er mit Grey umher gezogen war und doch anders. Weder spürte er diese klamme eisige Kälte, noch stank es nach Asche, oder Tod und Verderben.
    Stattdessen war es angenehm frisch, roch nach duftenden Blumen und frischem Gras und einer blühenden Frühlingswiese. Die kristallklare Nacht mochte bereits vor Stunden herabgefallen sein und die Welt mit ihrer düsteren Umarmung umfangen haben. Langsam ließ Johnny seinen Blick über das sternengewobene, nachtblaue Tuch wandern, dass die gesamte Welt zu umspannen schien, und blieb dann am weißen Juwel des Himmels haften. Hoch oben hing der bleiche Kristall am Firmament und spendete sein eiskaltes Licht. Umspielt von kalten Winden, die die Stille der Finsternis mit sich trugen. Langsam schritt er weiter voran, während sich die Nacht zunehmend mit Leben füllte.
    Jeder rasselnde Atemzug wurde zum Sturm, jeder einzelne Schritt zum Erdbeben und jedes einsame Geräusch zum Stimmchor der Nacht. Das düstere Leben begann an den Nerven des Mannes zu nagen. Vorsichtig schaute er sich um. Sog mit jedem weiteren Schritt die frische Nachtluft ein, die ihn umwaberte und seine Lunge mit jedem Atemzug anfüllte.
    Langsam hob und senkte sich der Brustkorb, wann immer er sich umsah und die Umgebung in Augenschein nahm. Hie und da zeigten sich ihm dunkelgrün anmutende Grasflächen, die mit üppigen Blumen bedeckt waren, deren Farben in der Dunkelheit unterzugehen schienen. Schatten, die sich aus dem Nichts bildeten, tauchten mancherorts auf und verschwanden, wann immer er sich ihnen unsicher zuwandte, oder sie näher zu betrachten versuchte. Vorsichtig schritt er weiter voran, bis ihm plötzlich etwas ins Auge fiel.
    Er hielt kurz inne, kniff die Augen zusammen und versuchte, jenes Gebilde in der Finsternis näher auszumachen. Es war groß, kolossal geradezu. Die Form ähnelte der eines … war es ein Gebäude?
    Johnny war sich da nicht so sicher. Er beschloss weiter darauf zu zugehen. Langsam schritt er näher und je geringer die Distanz wurde, desto mehr wuchs die Gewissheit in ihm. Sein Herz pochte aufgeregt und sein Blut rauschte nur so durch seine Adern. Die Muskeln seines Körpers spannten sich weiter an und schienen auf ein Startsignal zu hoffen, als ihn plötzlich das Adrenalin packte. Er begann zu joggen. Anfangs ruhig, dann immer schneller und unruhiger werdend bis er schlussendlich die Kontrolle über sich verlor und zu einem wilden Sprint überging.
    Stürmisch, geradezu übereifrig, raste er darauf zu und als er angekommen war, bremste er schlitternd ab. Das Gras war feucht und sorgte daher für eine ungelenke Bremsung. Er konnte es immer noch nicht fassen. Hatte seine Reise etwa tatsächlich ein Ende?
    Vor ihm erhob sich in jener sternklaren Nacht ein einsames, aber dafür umso gewaltigeres Tor, dessen Größe unübertroffen schien. Weder eine Mauer, noch andere Dinge umgaben es. Einzig jenes schwarze Tor, welches schätzungsweise vierzig Meter hoch in den Himmel emporragte, war zu sehen. Johnny war sich gewiss, dass dieses Ding gewiss des Tages einen schier unglaublichen Anblick bot. Die Tür war von zahlreichen Mustern, Motiven und Bildern bedeckt, die entweder Schlachten, oder andere Begebenheiten aus einer bestimmt allzu fernen Vergangenheit zeigten. Besonders deutlich fiel ihm eine Abbildung ins Auge, die zeigte wie ein Monster zwei Menschen begegnete und diese in einem grässlichen Ritus opferte.
    Weitere Abbildungen zeigten wie es sie verfolgte und anschließend abschlachtete, um ihr Blut mit einem Kelch aufzufangen und einem seltsamen viereckigen Gebilde opferte indem es den Lebenssaft ausschüttete. Andere, von ihm nie zuvor gesehene Gestalten und Wesenheiten schmiegten sich in das Bild und brachten ebenfalls Tod und Verderben über Mensch und Tier. Mancherorts sah er die grässlichsten Bilder und Insignien, die schaurige Szenarien wiedergaben, wie sie sich einzig ein Teufel hätte ausdenken können. Zahlreiche Runen und ihm gänzlich unbekannte Schriftzüge bedeckten das düstere Metall und erzählten von vergangenen Zeiten. Dort, wo normalerweise ein Türgriff war, waren gewaltige Ringe zu sehen, die sicherlich die selbe Funktion erfüllten. Umgeben war das Tor von einem riesigen eisernen Rahmen, der als Halterung fungierte und die gewaltigen Scharniere hielt.
    „Ich habe es geschafft.“, flüsterte er tonlos während er mit seiner Hand über das kalte Metall streifte und die Szene mit dem Kelch verfolgte. „Ich bin am Ziel.“
    All die langen Tage, Wochen und Monate des Wanderns waren nicht vergebens gewesen. Gequält hatte er sich, sein Wesen gewandelt, eine neue Gestalt angenommen und Tod und Verderben über andere gebracht, aber nun sollte all dies ein Ende haben? Er konnte es noch immer nicht fassen.
    Freude hatte sein innerstes Wesen in Besitz genommen und hielt es nun fest in ihrer Umarmung gefangen. Er konnte nicht anders, er musste lachen. Laut und voller Freude. „Ich habe es geschafft!“, brüllte er in die Stille Nacht hinein. „Ich bin frei! Endlich frei!“
    „Ach ja?“, fragte ihn urplötzlich eine Stimme in seinem Innersten.
    Johnny verstummte schlagartig. Widersprach man ihm etwa? Noch schlimmer, widersprach er sich selbst?
    „Bist du dir da ganz sicher?“, setzte eine weitere Stimme ein.
    „Ja.. denke schon.“, erwiderte Johnny unsicher. „Wieso?“
    „Geh doch durch die Tür, wenn du dir so sicher bist.“, lachte eine der Stimmen in seinem Innersten. „Mit deinem Dickschädel dürfte das doch kein Problem sein, nicht wahr?“
    Johnny erstarrte, als sein Blut zu Eis gefror. Fassungslos stierte er auf die schwarzen Tore und hielt den Atem an. Hatte er sich etwa doch geirrt? Sollte all dies ein schlechter Witz gewesen sein? „Komm schon. Tue es.“, forderte ihn eine spöttisch klingende Stimme in seinem Innersten auf. „Trau dich.“
    Johnny nahm all seinen Mut zusammen und schlurfte auf das Tor zu.
    „Öffne dich!“, befahl er mit lauter und voller Stimme.
    Stille umfing ihn und einzig der Wind antwortete ihm mit einem leisen Pfeifen, das ihn erzittern ließ.
    „Öffne dich!“, wiederholte er seinen Befehl, dieses Mal eindringlicher, fordernder, aber zugleich auch mit einem Anflug von Panik in der Stimme. „Öffne dich!“, kreischte er und streckte die Hände aus. Senkrecht zum Himmel gerichtet. „Bitte! Tu es! Sesam öffne dich!“
    Nichts geschah. Johnnys Bitte blieb unerfüllt.
    „Was muss ich tun, damit du mir diesen Wunsch erfüllst?“, fragte er mit einem leichten Anflug von Panik in der Stimme.
    Keine Antwort erfolgte. Die Stimmen waren verstummt und lachten sich vermutlich ins Fäustchen.
    „Ich will doch nur nach Hause…“, vertraute Johnny seinen Wunsch der Nacht an. Dann wandte er sich wieder dem Tor zu. „Bitte, lass mich gehen.“
    Wieder keiner Antwort.
    Johnny schluckte. Könnte er vielleicht…? Wäre es möglich, dass er das Tor mittels seiner Kräfte öffnen könnte?
    Zittrigen Schrittes trat er an das Tor heran. Ehrerbietend und voller Angst vor dem, was passieren mochte, wenn er versagen sollte, legte er seine Hände auf das kalte Metall. Er schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Wenn er jetzt scheiterte, würde er gewiss niemals nach Hause kommen. Er musste es also schaffen.
    „Jetzt, oder nie.“, dachte er und baute langsam die innere Spannung auf, die von Nöten war, um seine Kräfte zu wecken. Langsam spürte er, wie sich der Nebel in seinem Innersten regte und begann sich auszubreiten. Er konzentrierte sich und kniff die Augen stark zusammen. Langsam entließ er den Nebel aus seinen Fingerspitzen, spürte wie er durch seine Poren nach draußen drang und auf das Metall traf. Es zischte leise, als Metall und Nebel aufeinander prallten, doch weiter geschah nichts.
    Ein wahnsinniger Ausdruck, der nichts anderes als Panik sein konnte, zeigte sich in seiner zitternden Iris. Sollten sich seine Befürchtungen bewahrheiten, dann wäre er geliefert. Abermals schloss er die Augen. Mehr und mehr entließ er von seinem Nebel, aber er spürte keine Gegenreaktion. Es erfolgte kein Abstimmen und auch keine Resonanz wie damals, als er die Eismauer sprengte.
    Er öffnete die Augen und blinzelte. Keine Spur von seinem Nebel. Johnny ließ die Hände sinken. Sollte dies etwa das Ende sein? Er wollte und konnte es nicht glauben.
    „Unmöglich.“, flüsterte er. „Völlig ausgeschlossen.“
    „Wieso?“, hörte er plötzlich eine Stimme. „Du weißt doch ganz genau, dass dein Nebel gegen Metall keinerlei Wirkung zeigt, oder hast du das etwa wieder vergessen?“
    „Wer…?“ Johnny drehte sich um und kaum, dass er den Urheber erfasst hatte, kniff er die Augen zusammen und knurrte. „Du!“
    „Ja, ich.“, schmunzelte Grey, der in Begleitung eines kleinen Jungen mit kurzem rotem Haar war, der Johnny seltsam bekannt vorkam. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen und trotzdem hast du dich kein Stück verändert. Du versuchst noch immer alle deine Probleme mit Gewalt zu lösen. So wird das nichts.“
    Johnny lachte. „Was für ein schlechter Witz!“ Im selben Atemzug hob er seine Pranken mit den überproportional langen Krallen an. „Siehst du das? Dies sind die Klauen einer Bestie. Du wirst mir jetzt sofort sagen, wie man dieses Tor öffnet. Sofort.“
    „Ich weiß es nicht.“, erwiderte Grey seelenruhig und wandte sich dann Cain zu. „Du etwa?“
    Cain schüttelte den Kopf. „Woher sollten wir das wissen?“, fragte er dann schließlich. „Ich war noch niemals hier gewesen. Verrate mir, woher ich sowas wissen sollte.“
    „Vielleicht…“ Johnny stierte auf das schwarze Tor und entdeckte dabei wieder das Bild der Bestie, die zwei Menschen umbrachte und deren Blut in einem Gefäß auffing. „Vielleicht braucht es ja sowas wie einen Blutzoll?“
    Cain und Grey warfen sich beide einen überraschen Blick zu. „Ist er wahnsinnig?“, fragte Cain.
    „Ich fürchte ja.“, murmelte Grey und stellte sich vor Cain, den er zu beschützen gedachte.
    „Johnny, fasse dich. Wir müssen reden. Es ist von großer Bedeutung, dass du mir jetzt zuhörst!“
    Johnny grinste Grey diabolisch an. Jegliche Vernunft war aus seinem Gesicht verschwunden. Der Wahnsinn hielt in seinem Innersten Einzug und würde keinesfalls weichen. Grey wurde mit einem Mal klar, dass er keine andere Wahl mehr hatte. Er musste die Herausforderung annehmen, wenn sie beide überleben wollten.
    „Johnny…“, flüsterte er traurig und zückte seine Pistole, die er unter seinem Umhang verborgen hatte. „Ich wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit, aber wenn du das tust muss ich dich vom ewigen Kreis der Wiedergeburten befreien.“ Langsam hob er die Pistole an und richtete die Mündung direkt auf Johnny. „Bitte vergib mir, was auch immer geschehen mag.“
    Johnnys Grinsen weitete sich aus. Gelassen und mit einer schrecklichen Routine zückte er sein Messer, dessen Klinge augenblicklich von einem grünen Schimmer umgeben war. „Das ist die richtige Einstellung. Du und ich, wir beide fechten es unter uns aus. Genauso wie es uns Lucifer in diesem kranken Spiel zugedacht hatte, nicht wahr?“
    Grey lächelte betrübt und schleuderte seine Pistole von sich. „Du sagst es. Lass es uns ein letztes Mal angehen.“
    Cain, der das ganze aufmerksam verfolgte, lächelte zufrieden.
    Last edited by PetrusII; 08.08.2010 at 16:38.





    Das Wesen der Idee - Es geht weiter

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  4. #164
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    Jeder rasselnde Atemzug wurde zum Sturm, jeder einzelne Schritt zum Erdbeben und jedes einsame Geräusch zur Stimmchor der Nacht
    Ist der einzige Fehler, der mir so aufgefallen ist. Bei zwei anderen Stellen musste ich zwar kurz etwas überlegen, fand aber nichts zum dran aussetzen *g*

    Joar, Kommentar von mir ist auch ein bissel spät dran, aber so ist das eben manchmal^^
    Gut zu sehen, dass das Tor immun gegen seine Kräfte ist, wäre ansonsten vermutlich etwas langweilig gewesen, wenn er den Ausgang so einfach hätte überwältigen können. Davon ab hatten seine Kräfte schonmal gegen Metall versagt? Kann ich mich gar nicht mehr so dran erinnern... aber ist ja vermutlich auch schon wieder etwas her.
    Ansonsten finden sich ein paar schöne Formulierungen, von denen ich ein paar ja schon kannte.
    Und somit steht also der Kampf Grey vs Johnny an, wobei Grey wohl auch gut Lust auf einen Nahkampf hat, wenn er die Pistole schon von Anfang an wegwirft. Muss gerade an diese ganzen Sprüche denken, von wegen: Bring niemals/Erscheine nie mit ein(em) Messer zu einem Pistolenduell. Andererseits kann eine zusätzliche Waffe nie schaden xD

  5. #165
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    Quote Originally Posted by Souldragon View Post
    Ist der einzige Fehler, der mir so aufgefallen ist. Bei zwei anderen Stellen musste ich zwar kurz etwas überlegen, fand aber nichts zum dran aussetzen *g*

    Joar, Kommentar von mir ist auch ein bissel spät dran, aber so ist das eben manchmal^^
    Gut zu sehen, dass das Tor immun gegen seine Kräfte ist, wäre ansonsten vermutlich etwas langweilig gewesen, wenn er den Ausgang so einfach hätte überwältigen können. Davon ab hatten seine Kräfte schonmal gegen Metall versagt? Kann ich mich gar nicht mehr so dran erinnern... aber ist ja vermutlich auch schon wieder etwas her.
    Ansonsten finden sich ein paar schöne Formulierungen, von denen ich ein paar ja schon kannte.
    Und somit steht also der Kampf Grey vs Johnny an, wobei Grey wohl auch gut Lust auf einen Nahkampf hat, wenn er die Pistole schon von Anfang an wegwirft. Muss gerade an diese ganzen Sprüche denken, von wegen: Bring niemals/Erscheine nie mit ein(em) Messer zu einem Pistolenduell. Andererseits kann eine zusätzliche Waffe nie schaden xD
    Hm, das mit dem Metall war auch mehr... getrickst. Ich glaube, das hätte ich vielleicht irgendwann schreiben sollen? Ich dachte mir in dem Moment, als ich dies schrieb, dass es Johnny einfach entgangen war und dass Grey dieses Detail im Laufe der Zeit aufgefallen war. Naja, hätte ich in dieser Form vielleicht nicht tun sollen. xD"

    Abschnitt 48


    „Grey, was soll das?!“, fragte Johnny aufgebracht und fuchtelte dabei wild mit dem Messer umher als wolle er damit die Luft in Fetzen schneiden. „So kannst du doch nicht kämpfen! Du brauchst eine Waffe!“
    „Ich werde aber nicht kämpfen.“, entgegnete Grey freundlich lächelnd, die Hände offen ausgebreitet, um seine Ehrlichkeit zu unterstreichen. „Wir sollten nun miteinander eine Sache klären. Ich weiß zwar noch nicht genau was, aber das wird sich schon noch im Laufe des Gespräches herausstellen.“
    Vollkommen entgeistert starrte Johnny Grey an. „Nicht ich bin verrückt, sondern du!“, stieß er plötzlich hervor. „Rede doch keinen solch verquirlten Mist!“
    Grey schüttelte verneinend den Kopf und schritt freundlich lächelnd auf Johnny zu. Die Hände waren zu einem Dach gefaltet, welches gen Erdboden gerichtet war und von seiner Entschlossenheit zeugte. Johnny wirkte mit einem Mal überaus verwirrt und ließ die Klinge langsam sinken.
    Die unglaubliche Zuversicht seines Gegenübers verunsicherte ihn. „Was hat er nur vor?“, dachte er sich insgeheim und fixierte jede einzelne Bewegung seines Gegenübers.
    „Du kannst mich nicht einschüchtern!“, behauptete er tapfer.
    Dieser hingegen lachte glockenhell auf und strich sich mit einer beiläufigen Geste eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe seine Hände die einstige Position einnahmen.
    „Du hast dich verändert, nicht wahr?“, fragte er plötzlich mit seiner typisch markanten, aber zugleich sanften und verständnisvollen Stimme. „Möchtest du nicht wissen, woran das liegt?“
    Johnny stockte und erstarrte zur Salzsäule. „Was kannst du schon wissen?“, blaffte er zurück. „Du weißt gar nichts. Absolut gar nichts.“
    „Du hörst doch Stimmen, richtig?“, fragte Grey scheinbar interessiert. Die Hände wurden beiläufig ineinander gelegt.
    Johnny konnte nicht anders. Seine Gesichtsmuskeln schienen sich entgegen seines Willens selbstständig zu machen und ließen sein Gesicht ganz plötzlich zu einer überraschten Grimasse entgleisen. Er versuchte sich zu fassen, jedoch gelang ihm dies nur mit Mühe. Schiere Furcht war in sein Antlitz gekrochen und grub sich dort immer tiefer in seine Gesichtszüge.
    „Du weißt nichts!“, behauptete er prompt. „Alles vage Vermutungen!“
    „Sie sprechen mit dir und füllen so die Leere, die die Wunden in deinem Herzen hinterlassen hat. Du bist einsam. Habe ich nicht recht, Johnny? Das warst du doch schon, als du hierher kamst, nicht?“
    „Ich… ich bin…einsam?“, stotterte Johnny unsicher während seine Augen vor bloßer Angst überquollen. Gläsern und furchtsam rotierten die Augäpfel in ihren Höhlen und suchten nach einem Ausweg, wurden jedoch nicht fündig.
    Selbstsicher lächelte Grey und stolzierte um Johnny umher.
    „Vielleicht solltest du in dich blicken, Johnny, und dein Innerstes inspizieren. Weil dann könntest du früher, oder später erkennen, dass etwas mit dir nicht stimmt. Aber mit deinem Körper ist alles in Ordnung, nicht wahr? Sagtest du nicht du seiest ein Monster? Eine Bestie, gar? In deinem Herzen weißt du doch, dass du gar nicht so aussiehst. Du weißt doch, dass du mir glauben kannst. Übrigens“ Grey zwinkerte ihm schelmisch zu. „es könnte sein, dass du schon bald feststellen wirst, dass du nichts weiter bist, als ein schwächlicher Mensch und keine Bestie. Es ist keine Schande zuzugeben, dass man nur ein Mensch ist, glaube mir.“
    Furchtsam besah sich Johnny seine dunkelhäutigen Arme und sah wie das Bild, das ihm seine Augen vermittelten, verschwamm. Die einst dunkle Hautfarbe, die so typisch für ihn geworden war, war nur die eines Menschen und nicht die einer Bestie. Weder hatte er Klauen, noch hatte er Pranken, sondern völlig normale Hände, deren Fingernägel jedoch ein gutes Stück gewachsen waren. Furcht machte sich in ihm breit. Irgendetwas ging hier vor sich, das konnte Johnny spüren, aber nicht er war es, der sich veränderte, sondern seine Wahrnehmung.
    „Grey?“, fragte er furchtsam. „Was machst du mit mir?“
    „Was meinst du?“, hörte er Grey plötzlich in seinem Unterbewusstsein sprechen. „Es ist dir möglicherweise noch nicht aufgefallen, aber ich war die ganze Zeit über bei dir. Nicht du warst es, der mit dir sprach, sondern ich. Ich bin die einzige Stimme, die du jemals in dir drin gehört hast. Solltest du dich im Übrigen vielleicht nicht eher folgendes fragen: Was habe ich wohl mit dir angestellt?“
    Ängstlich stierte Johnny den unentwegt lächelnden Grey an, dessen Hände noch immer ein Dach bildeten, das gen Erdboden gerichtet war. Doch schien ihm dieses Lächeln nun nicht mehr freundlich, sondern überaus gefährlich. Nicht ein Mensch, sondern ein Raubtier schien ihn hier mit den Zähnen anzublecken und ihn damit zu bedrohen.
    Johnny war sich uneins, was er tun sollte. Diese schiere Selbstsicherheit, die Grey zur Schau stellte, sie machte ihn völlig wirr und unruhig. Er war total verunsichert und wusste auch nicht, was er von diesem strahlenden Lächeln halten sollte. Es wirkte auf ihn, als wüsste Grey Dinge, die er selber nicht einmal erahnen mochte. Es war als sei er minderwertig und nichts weiter, als ein Spielzeug für Greys Einflüsterungen. Im Vergleich zu Grey kam er sich so unglaublich klein und unbedeutend vor…
    Dann wieder rügte er sich innerlich. Er durfte nicht so denken! Das war es doch, was Grey von ihm wollte!
    Langsam hob er wieder die Messerklinge empor und richtete sie auf Grey, der indes langsam auf ihn zuschritt.
    „Bleib zurück!“, zischte er boshaft. „Deine Illusionen können mir nichts anhaben Ich weiß um deine Kräfte, du brauchst es gar nicht erst versuchen!“
    „Willst du denn wirklich eine Bestie sein?“, fragte Grey überrascht. „Würdest du nicht lieber ein Mensch sein wollen? Ich glaubte bisher immer du wärest lieber ein Mensch, oder nicht?“ Langsam ging er weiter auf Johnny zu. Nur noch etwas mehr als eine Armlänge trennte sie voneinander. Die Klinge bildete die letzte verbleibende Barriere zwischen ihnen.
    Johnny war sich uneins. Was machte Grey nur mit ihm? Manipulierte er ihn etwa? Waren da wieder seine Fertigkeiten im Spiel, oder was genau ging hier vor sich?
    „Komm nicht näher!“, wiederholte er störrisch seine Forderung und klammerte sich nun mit beiden Händen um den Messergriff des Messers, damit Grey ihn nicht dazu zwingen konnte dieses wegzuwerfen. Besser dieser unheimliche Mann blieb fern von ihm. Keinen Meter sollte er sich ihm weiter nähern.
    „Johnny“, beschwörte Grey ihn. „Sei zuversichtlich und vertraue mir, weil im Grunde will ich dir nur Gutes. Du weißt doch, dass du dich besser fühlen wirst, wenn ich mich deiner angenommen habe und du die Waffe weggeworfen hast, nicht wahr?“
    „Du dich meiner angenommen?“, fragte Johnny skeptisch. „Du willst mir doch nur sagen ich solle mich aufgeben und mich dann anschließend eigenhändig umbringen!“
    Grey lachte leise. „Nein, das will ich nicht. Ich könnte dir zwar jetzt sagen, dass ich dich ohne Waffe schlecht umbringen kann, aber du wirst sicher selbst zu dieser Erkenntnis gelangen wollen.“
    Johnny war verwirrt. „Was bitte?“, fragte er.
    Grey seufzte auf und noch während er auf Johnny zuging, schob er die Johnnys Messerklinge mit dem Zeigefinger beiseite. Den grünen Nebel aber, der die Klinge umspielte, mied er so gut es ging. Es gelang ihm. Die Situation schien gebannt. „Johnny…“, flüsterte er dann eindringlich. „ Bitte höre mir jetzt gut zu, weil das, was ich dir jetzt sagen werde, ist von großer Wichtigkeit. Du …“
    Schlagartig stockte er. Das Gesicht erblich und die Pupillen weiteten sich vor Schreck. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Unterleib und hatte ihn verstummen lassen. Zittrig hielt er sich den Magen, jene Stelle in der nun eine Messerklinge steckte. Atemlos hob er die Rechte empor und besah sie sich genauer. Triefendes Blut, dass frisch aus der Wunde floss, haftete ihr an, denn Johnny hatte, noch während Grey sprach, seine Messerklinge in seinen Magen gerammt, um ihn zu töten.
    Innerlich spürte Grey, dass die Klinge umspielt wurde von jenem grünen Nebel, der Johnny inne wohnte und nun begann ihn von innen heraus zu zerfressen. Er wusste, dass es nicht lange dauern würde bis er tot wäre, wenn er jetzt nicht handelte.
    „Jetzt bist du nicht mehr ganz so souverän, was?“, kicherte Johnny und grinste Grey schelmisch an. „Du kannst mir gar nichts, Grey!“, lachte er. „Ich bin es, der überlebt und du wirst jetzt sterben!“ Johnny zerrte an der Waffe und … stockte plötzlich.
    Er zog, konnte seine Waffe aber nicht befreien, denn Greys Linke hatte sich urplötzlich um seinen Unterarm geschlossen und hielt diesen in einem wahnhaften Klammergriff umschlossen. Keinen Zentimeter weit bewegte sich die Waffe aus der Wunde. „Was zum…?!“, stieß Johnny aus und blickte voller Entsetzen in Greys Gesicht, doch was er dort entdeckte, weckte nur jene Angst auf, die er wenige Momente zuvor bezwungen glaubte: Grey lächelte ihn an und schaute ihn dann für einen Moment lang freundlich in die Augen, ehe er dann die Linke auf die rechte Schulter seines Gegenüber legte.
    „Johnny.“, murmelte er in einem vorwurfsvollen Ton, als spräche er mit einem kleinen ungezogenen Jungen. „Du weißt, so kann es nicht mehr weitergehen. Es wird jetzt Zeit den Kreis der Wiedergeburten zu durchbrechen. Ein für alle Male. Sieh mir jetzt bitte in die Augen, denn es wird jetzt Zeit für dich zu gehen.“
    Johnny war zu gebannt, um dagegen aufzubegehren. Er konnte nicht anders, als Grey in die Augen zu starren. Langsam hob sich sein Blick an bis sich ihre Blicke trafen. Schlagartig weiteten sich die Pupillen von Greys Augen bis sie ein Sinnbild dessen waren, was mit Johnnys Geist vorging: Leere durchflutete seinen Geist. Ein angenehmes Gefühl, als massiere man seinen Hinterkopf, durchströmte ihn und ließ ihn wohlig schaudern. „Was passiert mit mir…?!“, fragte er sich, als plötzlich das Bernstein ins Auge zurückkehrte und aufleuchtete. Lodernde Flammen bersteten hervor, brachen das Gestein und schmolzen es bis es eine scheinbar köchelnde Flüssigkeit wurde. Wie ein tosender Strom Wassers floss sie auf ihn zu. Füllte schlagartig die Leere und nahm Johnnys Selbst ein. Ein Bild erstand vor seinem geistigen Auge:

    Umgeben war er plötzlich von einem bernsteinfarbenen Gewölbe, dessen Form er nicht eindeutig bestimmen konnte. Es war rund und wirkte seltsam undurchsichtig. Ganz so, als wäre er ein Insekt, dass von einem Bernstein umschlossen wurde. „Ein Gefängnis!“, wurde es Johnny schlagartig bewusst. Panik ergriff ihn und er tat das wohl vermutlich einzig richtige: Er wehrte sich.
    Voller Eifer hämmerte er gegen das Gefängnis, nahm sogar so gut es ging Anlauf und rammte dann die steinernen Mauern mit seiner Schulter. Schmerz durchzuckte ihn an der getroffenen Stelle, aber er gab nicht auf. Wieder und wieder probierte er es, bis er plötzlich nicht mehr von der Stelle kam. Überraschung zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Seine Beine fühlten sich plötzlich taub an, als wären sie vereist, oder ähnliches. Ängstlich warf er einen Blick nach unten. Er erkannte den Grund; es war flüssiges Bernstein, dass empor kroch und seine Beine umspielte. Wie eine unheilbringende Macht stieg es an und nahm seinen ganzen Körper ein.
    Johnny konzentrierte sich und ließ seine Nebel erstehen. Grün flammten sie auf und umfingen seinen gesamten Körper. Johnny fühlte die Macht, die ihn durchströmte. Sie nahm seinen ganzen Leib ein und pulsierte bis in die letzte Zelle.
    Seine Beine aber, spürte er nicht.
    Ungeachtet dieses Ausbruches seiner Macht, tat sich nichts. Wieder schlug er auf die steinernen Gewölbe ein. Aber wann immer seine Fäuste aufprallten, ertönte nur ein dumpfes Dröhnen wider: Das Sinnbild seines Versagens.
    „Gib auf, Johnny.“, hörte er plötzlich eine traurige Stimme, Greys Stimme, in seinem Kopf herum spuken. „Du kannst nicht entkommen. Bitte gib auf. Es würde dir viel Leid ersparen.“
    Als er die Stimme seines einstigen Gefährten hörte, keimte Hoffnung in ihm auf.
    „Grey!“, rief er panisch aus. „Bitte! Lass mich gehen!“
    Das Bernstein stand ihm bis zum Bauchnabel.
    „Ich schwöre mich zu bessern! Lass mich nur bitte gehen! Habe Gnade mit mir!“
    Johnny wartete ab, warf dem Bernstein geängstigte Blicke zu und blickte dann empor, als könnte er Grey sehen. „Grey!“, brüllte er abermals auf. „Bitte!“
    Das Bernstein leuchtete plötzlich auf. Strahlend hell, wie siedendes Feuer, schien es die Leuchtkraft der Sonne zu imitieren.
    Johnny, der seine Augen zukniff und die Hand vors Gesicht hielt, glaubte gerettet zu sein.
    „Danke! Du wirst es nicht bereuen!“, rief er glückselig aus. „Du wirst…“
    Er warf einen beiläufigen Blick nach unten und erstarrte. Schneller, als je zuvor quoll das Bernstein aus einer unbekannten Quelle hervor und stieg immer schneller an. Die Angst, das Wissen um den eigenen Tod und das Leid seiner Seele zeichnete sich ein letztes Mal in seinen Augen ab, ehe er komplett verschlungen war.
    Last edited by PetrusII; 10.08.2010 at 02:50.





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  6. #166
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    Er warf einen beiläufigen nach unten und erstarrte.
    beiläufigen was?^^

    Und es lief anderes als erwartet. Grey hat hier einen ziemlich beeindruckenden Auftritt und das Geschehen lässt auch den Leser wieder an einigen Dingen zweifeln, ähnlich wie Johnny.
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  7. #167
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    Beiläufigen Blick. ;P

    Wir nähern uns langsam dem Ende...


    Roadkill - Abschnitt 49


    Betrübt schüttelte Grey den Kopf. Das hatte er nicht gewollt. Warum hatte es nur so kommen müssen?
    Er hob den kleinen Bernstein, in dem Johnny steckte, empor und betrachtete ihn eingehend. Die panisch erhobenen Arme, die bis zum Schluss gegen das Innere des Steins gehämmert hatten, waren ein Ausdruck von Johnnys Hilflosigkeit. Sein Gesichtsausdruck, voller Angst und Schrecken, würde ihm immer erhalten bleiben. Wann immer Grey sich an Johnny erinnern würde, dieses Bild würde vor seinem geistigen Auge erstehen und kein anderes.
    Traurig seufzte er auf.
    Hier in seinem Geist, einem scheinbar ewigen Kosmos, der einem Sonnensystem zu gleichen schien, hatte er viele dieser Bernsteine. Wie Planeten kreisten sie hier in ewigen Zirkeln, ähnlich wie jene aus seiner eigenen Welt, die er schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Manche waren größer, andere kleiner. Die einen waren von der Größe her Planeten, die anderen Planetoiden und wieder andere Asteroiden für ihn. Ein jeder von ihnen fing in einer entsprechenden Größe an, die seiner Lebenskraft entsprach, aber nicht alle waren gleich groß, oder leuchteten gleich hell. Denn sowohl die Leuchtkraft, als auch ihre Größe entsprachen der Lebenskraft seiner Wirte.
    Johnny mochte hier zwar einer von vielen sein, aber momentan war er sowohl der größte, als auch der hellste unter ihnen, weil seine Lebenskraft war am Erfülltesten von allen. Alle anderen hatte Grey nämlich beinahe aufgebraucht und somit auch ihre Lebenskraft.
    Doch je näher sie dem Tode waren, desto heller leuchteten sie auch, um dann am Ende gänzlich zu erlöschen und vergessen zu werden. Ein schieres Meer aus Seelen funkelte grell inmitten der Finsternis auf und ihm wurde klar, dass auch sie mit der Zeit verblassen und verschwinden würden, ganz so wie es sterbende Sterne zu tun pflegen.
    Umgeben von den angesammelten Bernsteinen, die sowohl Seele, wie Träger waren, stand Grey und verzog traurig das Gesicht. Denn die Vergänglichkeit der anderen erinnerte ihn stets an die eigene Kurzlebigkeit und das Dahinwelken der eigenen Jugend.
    „Wie traurig es doch ist zu altern, zu sterben und dann sich selbst zu verlieren.“, flüsterte er leise vor sich hin. Jedes Sterben bedeutete für ihn einen Neuanfang und doch konnte er nicht anders, als sich zu wünschen, ewig er selbst zu sein.
    Jeder sterbende Bernstein war ein Opfer seines Handelns und eines jeden wollte er gedenken. Darum griff er, wann immer er das Bedürfnis dazu verspürte als lichte Gestalt auf jene Bernsteine zurück. Manchmal wollte er sie sich einfach nur genauer ansehen, um Erinnerungen wach zu rufen und dann wieder wollte er auf das Wissen der Gestalten zurückzugreifen, die er darin eingeschlossen hatte. Und manchmal hatte er auch ganz andere Gründe dies zu tun. Grey lebte schon ungezählte Jahre auf diese Weise und schon öfters hatte er die Lebenskraft anderer für sich einfangen müssen, um sich von ihr zu nähren, doch tat er dies nur ungerne.
    Lucifer hatte diesen Umstand ausgenutzt. Als Grey hierher gekommen war, hatte der Engel es zuerst geschafft ein Druckmittel, Alina, gegen ihn zu verwenden und ihn so zum Hierbleiben zu bewegen. Zwar waren sie nie wirklich befreundet, sondern vielmehr Bekannte gewesen, aber dennoch hatte er sich für verantwortlich gefühlt. Es war schließlich seine Schuld, dass es sie hierher verschlagen hatte. Daher hatte er alles getan, was ihm Lucifer befohlen hatte. Mit ihrem Tod hatten sich die Dinge jedoch plötzlich gewandelt.
    Johnnys Auftauchen hatte ihm wohl das Leben gerettet. All die Jahrzehnte, womöglich auch Jahrhunderte,- Grey wusste es nicht - hatte er seine Lebenskraft aus den Gegnern gezogen, die Lucifer ihm gesandt hatte. Es war eine ewige Hölle gewesen, die ihn immer mehr ausgezehrt hatte. Dass mit jedem Kampf seine Lebenskraft mehr und mehr sank, war aber auch absehbar gewesen. Sein Tod kam näher und näher, wann immer er gegen einen anderen Menschen kämpfte. Dabei hatte er anfangs nie was anderes gewollt, als zu überleben. Und doch… wollte er nicht töten.
    Was er aber tat, war nicht wirklich töten, sondern mehr ein einverleiben. Wann immer er dies tat, durchbrach er die Kette der Wiedergeburten eines Lebewesens und raubte ihm jede Chance ein neues Leben zu führen.
    Nie wieder würden diese Geschöpfe leben und das schmerzte ihn sehr.
    Was tat der Mensch nicht alles, um zu überleben?
    Kurz hatte er gezögert, als sich Johnny ihm entgegen gestellt hatte, weil eigentlich hatte er vorgehabt ihn zu retten, aber es kam alles ganz anders, als er es geplant hatte. Cain würde, wenn Grey denn Recht mit seiner Vermutung hatte, sich nicht darüber freuen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Johnny war zu weit gegangen. Er hatte die Grenze überschritten.
    Körper und Geist bilden stets eine Einheit und beide üben sie einen direkten Einfluss aufeinander aus. Verändert man beispielsweise seine Körperhaltung, dann verändert sich auch die Gefühlslage und umgekehrt, aber manchmal sind diese Einflüsse derartig gewaltig, dass sie mehr als nur eine Körperhaltung ändern; sie ändern das Wesen, den Kern und auch die Gestalt eines Menschen.
    Kurzzeitig hatte er Johnnys wahres Selbst in diesem Monster wach rufen können, um so aus seinem Wesen schöpfen und ihn zu verzehren können, aber den eigentlichen Zustand wieder herzustellen wäre dauerhaft nicht möglich gewesen.
    Das Monster in ihm hatte zu viel Macht und Grey war zu schwach gewesen, um diese Illusion beständig zu halten. Durch seine Tat aber starb die Bestie mit Johnny und er selbst hatte sich einen kleinen Aufschub gewährt.
    Grey seufzte und ließ den eingeschlossenen Johnny wieder los. Augenblicklich sauste dieser davon und fand schnell seinen Platz in den Reihen der übrigen Bernsteine, die sich inmitten eines finsteren Weltraumes eingefunden hatten. Einsam blinkten einige auf, wann immer sich Grey umsah. Manche schienen greller, als die anderen. Und sie alle würden schon bald erlöschen und Greys Leben mit ihnen.
    Hier, unter all den anderen Bernsteinen, war Johnny nur ein kleiner Stern. Einer von vielen und zugleich auch ein kleiner Hoffnungsschimmer, der Grey bessere Zeiten versprach. Er wusste nicht, was die Zukunft bringen mochte, doch dieser Stern würde noch eine Weile leuchten und solange er dies tat, würde auch er am Leben bleiben.
    Grey lächelte traurig. Es wurde Zeit zu gehen. Cain wartete gewiss auf ihn. Inmitten der Finsternis tauchte eine Tür auf, die sich langsam öffnete und ein grelles, weißes Licht durch ihren Spalt verströmte.
    Aufgrund dieser Helligkeit war es unmöglich zu sagen, was sich dahinter verbergen mochte. Grey aber wusste genau, was ihn erwarten würde. Sobald er sie durchschritt, würde er zurück in seinen Körper gelangen und diese Sphäre vorerst hinter sich lassen. Nach einiger Zeit würde er wieder hierher kommen und seiner Sammlung einen weiteren Bernstein hinzufügen. Womöglich würde es nicht mehr lange dauern. Wenn er es sich aber recht überlegte, dann war eigentlich so gut wie alles nur eine Frage der Zeit. Wann aber seine kommen würde, das stand in den Sternen, denn er hatte nicht vor zu sterben. Noch lange nicht. Es gab Mittel und Wege, um seinem Tod vorzubeugen und die gedachte er zu nutzen.


    „Grey! Hey, Grey!“, hörte Grey eine Stimme rufen. „Bist du etwa…? Du bist doch nicht…?“
    Sorgevoll betrachtete Cain den am Boden Liegenden. Gleichzeitig waren er und Johnny umgefallen. Beide schienen das Bewusstsein verloren zu haben, doch waren ihre beiden Zustände völlig verschieden gewesen. Johnnys Gesicht, vor Schrecken und Furcht verzerrt, war ein schauerlicher Anblick. Seine grauen Augen hatten sich getrübt und glichen einem matten Kieselstein. Ähnlich leblos wirkte auch sein übriger Leib, der komplett erschlaffte, kurz nachdem sich Grey seiner angenommen hatte. Die Haut, blass wie der fahle Mond am Nachthimmel, war an einigen Stellen aufgeplatzt und schien abzupellen. Ganz so, wie es ein Toter zu tun pflegte. Es war als ob sich ein Wesen von seinem Kokon befreien würde, nur damit etwas gänzlich anderes daraus hervorging.
    Cain widerte der Anblick des Toten an. Nie hatte er etwas derartig ekelerregenderes gesehen. Der Tod schien ihm fremd und wenn er daran dachte, dass er selbst eines Tages so enden würde, dann fühlte er sich auf einmal ganz mulmig.
    Ganz anders war es Grey ergangen. Seine Bernstein Augen strahlten und leuchteten wie zwei Sterne am Nachthimmel. Ein Feuer, wie Cain es schon lange nicht mehr gesehen hatte, hatte von ihnen Besitz ergriffen und zeugte vom Leben, das durch Greys Adern kroch. Doch sicher war sich der Junge noch immer nicht. Zwar war die Wunde verheilt und der Dolch aus der Wunde entfernt, aber… Er glaubte nicht an Wunder.
    „Grey?“, fragte er wieder. „Bist du noch am Leben?“
    Grey, der scheinbar aus seinem Trancezustand erwacht war, lächelte. „Ja… Ja, ich denke schon.“ Langsam richtete er sich auf. „Verzeih, es hat etwas gedauert.“, erklärte er scheinbar peinlich berührt seinen Zustand von vorhin. „Es ist vorbei.“, murmelte er. „Johnny ist tot. Für immer.“
    „Für immer?“, fragte der Junge freudig strahlend. „Ja, für immer.“, bestätigte Grey das Gesagte „Das ist wunderbar.“, rief der Junge aus. „Da wäre ich mir nicht ganz so sicher…“, entgegnete Grey aufseufzend.
    Der Gesichtsausdruck des Jungen verfinsterte sich. „Was?“
    „Es könnte nämlich sein, dass du ihn vorschnell verurteilt hast.“, murmelte Grey.
    „Völlig ausgeschlossen!“, begehrte der Junge auf. „Was meinst du?“
    „Vielleicht war er gar nicht der Mörder deiner Mutter.“
    „Wer, wenn nicht er?“, fragte der Junge eingeschnappt.
    „Vielleicht kann ich diese Frage klären.“, ertönte plötzlich eine Stimme.
    Verwirrt blickte sich Cain um. Grey aber lächelte wissend. Er hatte schon viel früher damit gerechnet, dass er auftauchen würde. „Der Gefallene in Person. Willkommen, mein Freund.“, flüsterte er.
    „Ja, ich.“, schmunzelte Lucifer und wandte sich ihnen lächelnd zu. Die eisblauen Augen glitzerten aufgeregt. Das lange, schwarze Haar hatte er sich zu einem Zopf gebunden, wodurch sein blasses, aber überaus schlankes Engelsgesicht betont wurde. Ein überhebliches Lächeln haftete seinen Lippen an, die sich wie die Blütenblätter einer Rose geöffnet hatten und perlweiße Zähne offenbarten. Lucifer schien komplett mit seinem Spiel zufrieden. Gewandet war der Engel in einem komplett schwarzen Mantel, den er auch letztes Mal schon getragen hatte. Das weite Kleidungsstück zeigte kein bisschen von seinem übrigen Körper, ließ jedoch mehr Raum für etwaige Fantasien, sollte man den Engel noch nicht kennen. Im Großen und Ganzen wirkte er überaus ehrfurchtseinflößend und souverän. Bei jedem Schritt, den der Engel auf sie zuging, bewegte sich der Stoff fließend mit jeder Bewegung. Das silberne Licht des Mondes schien sich dabei darin zu spiegeln und erinnerte Grey an eine Schlange, die auf ihr Opfer zu kroch. Die Illusion eines Schuppenpanzers schien vollkommen. Wie Lucifer dieses Bild aber bei einem Stoffmantel erzeugte, wusste selbst Grey nicht.
    „Ich gratuliere dir, Grey. Du hast es also geschafft.“, stellte Lucifer zufrieden fest.
    „Ja, das habe ich.“, erwiderte Grey lakonisch.
    „Wundervoll“, rief Lucifer aus und wandte sich Cain freudig strahlend zu. „Und wie geht es dir? Hast du deine Rache bekommen?“
    „Mir geht es gut.“, plapperte der Junge freudig drauf los. „Hier!“, er zeigte auf Johnny. „Da ist er. Tot und ganz so wie du es wolltest!“
    Lucifer blickte auf den am Boden liegenden Johnny und lächelte. „Das sehe ich. Und ebenfalls sehe ich, dass du auch schon den guten Johnny ausgesaugt hast.“ Er warf Grey kurzzeitig einen freundlichen Blick zu. „Fit und gestärkt für die nächste Runde?“, fragte er augenzwinkernd. Kurzzeitig wirkte Greys Gesicht vollkommen perplex. „Du hast doch…“, setzte er an, wurde jedoch jäh von Lucifer unterbrochen. „War ein Scherz.“ Eine beiläufige Handbewegung machte deutlich, dass er nicht weiter darüber reden wollte.
    Voller engelsgleicher Anmut bewegte sich Lucifer auf den Toten zu. Beugte sich herab und betrachtete ihn eingehend.
    „Du hast ihn als Menschen sterben lassen.“, stellte er überrascht fest. „Und…“ Er hob die Hand empor und ließ die Pistole, die Grey kurze Zeit zuvor so achtlos fortgeschmissen hatte, auf sich zufliegen. „die hier hast du vergessen.“ Er warf sie Grey zu, der sie geschickt auffing und dann ohne ein weiteres Wort wieder einsteckte.
    „Nimm noch das Messer an dich. Du könntest es eventuell gebrauchen.“
    „Nein danke.“, wehrte Grey ab und tätschelte die Pistole an seiner Seite. „Ich habe bereits eine Waffe.“
    „Ach ja, stimmt.“, entgegnete Lucifer mit regloser Miene und wandte sich dann freundlich lächelnd Cain zu.
    „Wir beide müssen etwas klären. Es ist wichtig, dass du davon erfährst, ehe du gehst.“
    Gespannt blickte Cain den Engel an. Dieser lächelte schief, was ihm etwas Verschlagenes und zugleich Freches gab. Grey atmete hörbar ein. Er befürchtete das Schlimmste.
    „Cain, ich gab dir deinen Namen; ich gab dir dein Wissen mit auf den Weg; ich gab dir deine Stärke, die du brauchtest, um den Mörder deiner Mutter zur Strecke zu bringen, aber vor allem gab ich dir einen Grund zum Leben. Habe ich nicht recht?“
    Cain nickte verwundert. „Ja, aber wieso fragst du mich das?“
    „Jede Gunst erfordert einen Lohn, findest du nicht auch?“
    „Nun…“ Cain zögerte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Kurz blickte er zu Grey rüber. Dieser schüttelte leicht den Kopf. Er hoffte, dass Cain das Signal bemerkt hatte. Aber er befürchtete, dass dem nicht so war. Der Blick des Jungen war von Angst erfüllt.
    Ahnte er etwa, was auf ihn zukam?
    „Cain…“, flüsterte Lucifer mit aufgesetzter Trauer. „Mein armer Cain. Du musst jetzt ganz tapfer sein, weil ihr habt den falschen erwischt. Nicht Johnny, sondern ich habe deine Mutter getötet. Wir beide sind also Quitt.“





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    *düstere Musik einspiel* Dun dun dun!

    Das mit Lucifer kam nun nicht so überraschend, aber man darf gespannt bleiben was es noch für Reaktionen darauf geben wird.
    Interessant zu sehen woraus Grey seine Kräfte bezieht, scheint eine recht nützliche Fähigkeit zu sein. Jetzt bleibt natürlich abzuwarten, ob er endlich wieder weg darf und ob er danach sich gleich Lucifer annimmt.
    Johnnys Ende ist nun also besiegelt, kam schneller als erwartet.

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    Quote Originally Posted by Souldragon View Post
    *düstere Musik einspiel* Dun dun dun!

    Das mit Lucifer kam nun nicht so überraschend, aber man darf gespannt bleiben was es noch für Reaktionen darauf geben wird.
    Interessant zu sehen woraus Grey seine Kräfte bezieht, scheint eine recht nützliche Fähigkeit zu sein. Jetzt bleibt natürlich abzuwarten, ob er endlich wieder weg darf und ob er danach sich gleich Lucifer annimmt.
    Johnnys Ende ist nun also besiegelt, kam schneller als erwartet.
    Gut, ich gestehe, dass dieses Ende absehbar war, aber hey, es kam einfach so, wie es kommen musste.

    Abschnitt 50

    „Unmöglich.“, flüsterte Cain fassungslos und erblasste schlagartig. „Das ist völlig unmöglich! Völlig ausgeschlossen!“
    „Aber wenn es doch so ist?“, fragte Lucifer lachend und ging langsam auf Cain zu, dem er dann einmal kurz durch die Haare strich. Anders als früher, erzeugte er damit aber kein Lachen, sondern trieb dem Jungen nur einen weiteren Pflock ins Herz. „Ich weiß, dass es schlimm für dich sein mag, Cain.“, erklärte Lucifer und lächelte schief. Grey ahnte Schlimmes.. „Aber du darfst mir das nicht übel nehmen. Ich tat es für dich.“, schlagartig nahm er eine Unschuldsmiene an, „Oder hättest du etwa gewollt, dass dieser Johnny dein Vater geworden wäre?“
    „Mein … mein Vater? Du? Der Mörder meiner Mutter? Nein! Ich will das nicht! Das kann nicht sein!“, brüllte Cain verzweifelt auf. „Es darf nicht wahr sein. Nein, es kann einfach nicht wahr sein!“
    „Cain…“, flüsterte der besorgte Grey und streckte die Hand nach dem Jungen aus, um ihn zu beruhigen. „Du solltest das nicht sagen. Es macht…“
    „Geht weg!“, brüllte dieser und schlug im selben Atemzug die Hand beiseite. „Er ist nicht mein Vater! Und er auch nicht der Mörder meiner Mutter! Das kann nicht sein! Ich… ich kann das nicht glauben!“
    Der Junge stockte, Grey hielt ebenfalls einen Moment inne, um den inneren Wandel des Jungen zu beobachten und die Situation einzuschätzen. Das Mienenspiel wechselte schlagartig. Die Wut wich der Trauer und zeichnete sich im Angesicht des Kindes ab. Heulend barg es dann sein Antlitz in den Händen, während die Tränen dahin flossen und die Schultern des Jungen unter jedem Schluchzer erbebten. Grey brauchte nicht ins Gesicht des Jungen zu sehen, um seinen Zustand zu ermitteln. Es war offensichtlich, wie tief er verletzt worden war.
    „Das…das darf einfach nicht sein. Unmöglich!“, rief er aus. „Wir haben nicht meinen Vater umgebracht, sondern einen Hochstapler! Und …Lucifer war es nicht, der meine Mutter mordete! Völlig unmöglich!“
    „Tu es.“, forderte Lucifer Grey plötzlich auf und nickte ihm zu. „Lass ihn diese Welt vergessen.“
    Grey seufzte auf, schien aber einverstanden zu sein. Er streckte die Rechte nach dem Kinn aus, um es anzuheben, während er die andere Hand auf die linke Schulter des Jungen legte, ganz ähnlich wie damals, als er ihn das erste Mal beeinflusst hatte. Dieses Mal wurde er nicht abgewiesen. Zeitgleich setzte er zum Sprechen an:
    „Schaue mir bitte in die Augen, Cain, und erblicke eine bessere Welt. Du könntest herausfinden, dass es dort draußen mehr gibt, als du jemals zu träumen wagest, wenn du nur meiner Bitte nachkämest. Glaube mir und lasse mich dir Vergessen schenken.“
    Zaghaft hob Cain, der von Greys Hand sanft, aber bestimmt gelenkt wurde, den Kopf an. Blinzelte und starrte mit kummervollem Blick in das Bernstein von Greys Augen.
    Wärme durchflutete ihn, als sich ihre Blicke trafen. Ließ sein Herz für einen Moment aussetzen und dann mit doppelter Wucht weiterschlagen.
    Die Trauer war von einem Moment zum anderen wie fortgeblasen. Der Rhythmus seines Herzens beschwingte ihn und trieb das inzwischen brodelnde Blut voller Tatendrang durch seine Adern. Rote Flüsse brandeten über die Ufer und wie reißender Strom flossen sie dahin. Strömten empor in seinen Kopf und brachten die langersehnte Wärme mit sich. Puterrot färbten sich seine Wangen, als er den wilden Trommelschlag seines Herzens fühlte und spürte, wie sein Trommelfell unter der Gewalt der blutigen Flüsse zu beben begann.
    Das Bernstein spaltete sich mit einem Mal krachend und brachte Farben hervor, die seinen Augen einen Rausch bescherten, den er für unmöglich gehalten hätte, wenn er ihn nicht in diesem Moment selbst am eigenen Leibe erfahren würde.
    Der Junge hielt den Atem an und erstarrte vor Ehrfurcht. Ungeahnte Farben und Sinneseindrücke flossen ihm stetig entgegen, umspielten seinen Geist und lachten ihm zu.
    Purpurne Flüsse erhoben sich und gingen brausend über in ein türkises Meer, dessen Wellen wiederum lautstark an grauen Felsen zerschellten und silbernen Meerschaum erstehen ließen.
    Grell strahlte eine farbenfrohe Sonne vom saphirfarbenen Himmel herab, deren Leuchten das Gemüt des Jungen bewegte und seine Nase kribbeln ließ.
    Weißes Licht wurde vom Wasser gespiegelt, reflektiert und zeitgleich gebrochen. Abermals ging aus dem Wirken dieser Welt ein Farbenspiel hervor, dass aus atemberaubenden und schier unbeschreiblichen Farben bestand, die sich wieder und wieder mit der Luft zu vermengen schienen und so weitere, zahlreiche Sinneseindrücke schufen:
    Blau schmeckte salzig, wie das Meer; Grün schmeckte nach frischer Minze; Rot schmeckte nach sinnlicher Leidenschaft; Gelb hatte den Geschmack einer saftig, sauren Zitrone, die ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, und Weiß hatte den vollen Geschmack eines edlen, trockenen Weißweines, obgleich der Junge dies in seinem Alter noch gar nicht wissen konnte.
    Hörbar atmete der Junge ein, aber das Ausatmen unterließ er bewusst. Inbrünstig bemühte er sich darum, diese Geschmäcker in sich zu verwahren und diese, ähnlich einer Erinnerung, für spätere Zeiten aufzuheben.
    Nie wieder wollte er diese Welt loslassen; sie sollte bleiben und ihn für immer in den Armen halten. Ihn drücken und sagen, sie sei immer da, wenn er sie brauchen würde.
    Langsam, aber kaum merklich, begannen die Farben zu verblassen und einem bernsteinfarbenen Farbton Platz zu schaffen.
    Cain blinzelte zaghaft, bevor er sich gewahr wurde, dass all dies nur eine Illusion gewesen war. Ein Paar bernsteinfarbener Augen blickte ihm entgegen, als er den sanften Druck von Greys Armen spürte, die sich um ihn geschlungen hatten und ihm nun die Sicherheit und Geborgenheit schenkten, die ihm diese fremde Welt wenige Augenblicke zuvor gegeben hatte.
    Cain lächelte schwach und erwiderte dann die Umarmung. Voller Liebe und Ergebenheit für seinen Freund.
    „Danke.“, flüsterte er und vergrub das Gesicht in Greys Kleidern. „Danke, dass du mir eine bessere Welt gezeigt hast. Ich denke, ich kann nicht ungeschehen machen, was passiert ist, aber ich kann vergeben und vergessen.“
    Die Umarmung verflüchtigte sich und in einer fließenden Bewegung tauchte Greys Gesicht vor Cain auf, als sich dieser zu ihm herab kniete. Voller Herzensgüte blickte er in seine Augen. Cains Haut bekam eine Gänsehaut.
    „Alles, was du für diese Welt brauchst, findest du hier und hier.“, erklärt Grey und tippte dem Jungen abwechselnd auf das Herz und dann auf die Stirn.
    „In deinem Innersten weißt du doch, dass du begeistert sein wirst von dem, was du entdecken könntest, wenn du der Stimme deines Herzens folgen und auf die Eingebungen des Verstandes hören solltest, nicht wahr? Vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, aber du hast alles in dir, was du zum Leben brauchst. Glaube mir, weil ich weiß, wovon ich spreche.“
    Eifrig nickte der Junge und drückte sich dann an Grey, dem er gerade einmal knapp bis über den Bauchnabel reichte.
    „Danke, dass du für mich da bist.“, flüsterte er.
    Grey lächelte und fuhr Cain leicht zögerlich über den Kopf. Er schien zu überlegen. Ein guter Beobachter wäre vielleicht sogar in der Lage gewesen, anhand der Augenbewegungen abzulesen, dass er einen inneren Dialog führte.
    Der nachdenkliche Ausdruck schwand mit einem Mal von seinem Antlitz. Grey hatte sich offenbar entschieden.
    „Willst du mit mir kommen?“, fragte er. „Wir könnten gemeinsam nach einer Heimat für dich suchen. Du hast vermutlich keine Ahnung, wo du hin willst, nicht wahr?“
    Die Augen des Jungen wurden groß und er klatschte freudig die Hände zusammen, wie es Kinder zu tun pflegen, wenn sie sich besonders über etwas freuten.
    „Meinst du das ernst?“, fragte er voller Erstaunen. Die Freude stand ihm ins Gesicht geschrieben. Grey nickte knapp. Das strahlende Lächeln und der freudige Glanz in den Augen des Jungen schienen Grey Antwort genug.
    „Ich schätze, das heißt Ja.“
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte er sich um und reichte dem Jungen seine Hand. Ein aufmunterndes Nicken gebot ihm zuzugreifen.
    „Komm, lass uns gehen. Bauen wir uns eine neue Zukunft auf.“
    Der Junge ließ sich das nicht zweimal sagen. Hastig ergriff er Greys Hand und stieß ein fröhliches, glockenhelles Kinderlachen aus.
    „Schade.“, bemerkte Lucifer, der sich die ganze Zeit über zurück gehalten hatte. „Du wirst mir fehlen. Du warst stets der Beste gewesen, den es je hierher verschlagen hatte. Willst du wirklich nicht bleiben?“
    Grey lachte auf und blickte Lucifer, der sich mit verschränkten Armen und Beinen am Portal anlehnte, in die Augen. Der Schalk und das gefährliche Blitzen darin waren nur schwer zu übersehen.
    „Nein, danke. Ich denke, ich bin lange genug hier gewesen.“
    „Wirklich schade.“, bemerkte Lucifer mit offenbar aufrichtigem Bedauern. „Du wirst mir fehlen. Irgendwie.“
    „Genau, irgendwie.“, warf Cain ein und zerrte ungeduldig an Greys Arm. „Können wir endlich los?“
    „Keine Geduld mehr diese Jugend.“, murmelte Lucifer leise und schüttelte abwertend den Kopf. „Nun gut, alles Gute, euch beiden. Ich hoffe, wir sehen uns eines Tages wieder.“
    „Ich hoffe nicht, weil nächstes Mal müsste ich dann Ernst machen.“, erwiderte Grey mit einem kecken Lächeln auf den Lippen.
    Gespielt empört schnaufte Lucifer auf.
    „Das sagst du doch nur so.“, lachte er. „In Wahrheit kannst du es doch gar nicht erwarten, mich wiederzusehen, nicht wahr?“
    „Vielleicht.“, entgegnete Grey kurzangebunden. „Aber genug der langen Reden. Lass uns endlich gehen, Cain.“
    „Na endlich!“, rief dieser aus. „Das wurde auch langsam Zeit.“
    „Lebe wohl, Grey. Kümmere dich gut um den Jungen.“
    „Werde ich, zumindest für eine Weile.“, antwortete Grey lakonisch. „Lebe wohl.“
    Mit diesen Worten wandten sich Grey und Cain Richtung Portal um. Beide schienen genug von dieser Welt zu haben. Es wurde Zeit zu gehen. Langsam öffnete sich das Portal und offenbarte den beiden ein grelles Licht, das eine Barriere zu bilden schien. Cain schluckte merklich. Grey bemerkte es und lächelte ihn an und reichte ihm die Hand.
    „Nein“, sagte dieser tapfer. „Ich bin jetzt ein großer Junge. Ich brauche das nicht mehr.“
    Grey schmunzelte bei dieser Bemerkung und griff trotzdem nach der Hand. „Dann tu es einfach für mich.“
    Überrascht blickte Cain Grey an, fasste sich aber schnell und lächelte zufrieden. Beide schritten sie gleichen Schrittes durch das schwarze Tor und kaum, dass sie in die Wand aus weißem Licht eingetaucht waren, begann auch das Tor sich knarrend wieder zu schließen. Anfangs langsam, dann immer schneller werdend, schloss es sich hinter den beiden.
    Lucifer, der das Geschehen beobachtet hatte, seufzte.
    „Lebe wohl, Grey.“, flüsterte er langsam und kostete den Klang der eigenen Worte aus „Es hat wirklich eine Menge Spaß mit dir gemacht. Ich habe die Vorführung wirklich genossen.“
    Er setzte sich zu Boden, direkt neben dem toten Johnny. Kurz betrachtete er den Toten, fasste dann einen Entschluss und richtete ihn wieder auf. Die Glieder waren schlaff und das Fleisch eiskalt, aber Lucifer hatte damit kein Problem. Er hatte schon viele Tote gesehen und berührt. Langsam ließ er seine Finger über die geschlossenen Augen des Toten gleiten. Als sich plötzlich die Augen öffneten und gefährlich aufglommen, lächelte er zufrieden. Leben steckte in den grauen Augen. Lucifer blickte auf das Tor und dachte an Grey. „Bis zum nächsten Mal, mein Freund.“, hauchte er. „Wir sehen uns schon bald wieder.“

    Ende
    Last edited by PetrusII; 16.08.2010 at 20:44.





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    Langsam, aber kaum merklich, begannen die Farben zu verblassen und einem Bernsteinfarbenen Farbton Platz zu schaffen.
    Ein Paar Bernsteinfarbener Augen blickte ihm entgegen,
    klein, denke ich
    Langsam, öffnete sich das Portal und offenbarte den beiden ein grelles
    was sucht das Komma da?

    Beim Anlesen hatte ich am Anfang noch einen Fehler gefunden, den hast du aber scheinbar schon von selbst korrigiert^^

    Ein eher ruhiges Ende, wenn man bedenkt, wie einfach Lucifer davon kommt. Hatte ja schon irgendwie erwartet, dass sie sich nochmal ein wenig in die Haare bekommen, aber dem war dann doch nicht so. Die Illusion war eine ziemlich nette Geste irgendwie, und ich fand, dass du sie auch schön beschrieben hast.
    Die Bemerkungen ganz am Schluss lassen zwar böses erahnen, aber das passt ja zu Lucifer.
    Alles in allem eine schöne Geschichte mit einem ruhigen Ende^^

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