Das "sie" habe ich geschrieben, weil ich an "die Höhle" dachte. xD
Daher der Fehler. ^^
btw: Dass du die Stimmen so sehr magst, hätte ich übrigens nicht gedacht. Aber ja, die haben was. ^^
Roadkill - Abschnitt 46
„Es hat etwas gedauert, aber wir sind da.“
Sorgsam schaute sich Grey um. Schon lange waren sie unterwegs gewesen und hatten eisige Wüsten durchquert, aber dass es so schnell gehen würde, hätte er nicht gedacht. Die Wanderung und der stete Druck, Johnny einholen zu müssen, hatte sie zwar zu Höchstleistungen motiviert, aber der viele Schnee und das Eis, das diese Eiseskälte mit sich brachte, hatten trotzallem ihren Weg deutlich erschwert. Und nun waren sie, sofern man Cains Worten Glauben schenken durfte, endlich kurz vorm Ziel. Grey konnte dies kaum glauben. Eine gefühlte Ewigkeit hatte Cain sie durch die Tundren geführt und nun standen sie vor dem Eingang einer Höhle. Dort, wo bei einer Tür die Türschwelle gewesen wäre, türmten sich zahlreiche grünlich schimmernde Eisbrocken auf und vereinzelte Pfützen geschmolzenen Eises, dessen Farbe ebenfalls giftgrün war, zierten den Pfad. Beides hob sich deutlich von der sonst so weißen Umgebung ab. Der Geruch, der an diesem Ort umher ging, war ähnlich ungewöhnlich, denn er war beißend und stank höllisch. Zwar war er undefinierbar, aber dafür brannte er förmlich in der Nase. Grey erinnerte sich in diesem Moment zahlreicher toxischer Mittel und Chemikalien, die ähnlich widerlich rochen, jedoch vermochte er ihn keinem zuzuordnen.
Er fühlte sich aber in jedem Falle unwohl. Der Boden selbst wirkte verdorben und eine vermutlich einst heilige Stätte war entweiht worden. Die Präsenz einer dunklen Macht erfüllte diesen Ort und raubte ihm das, was ihn einst ausgemacht haben musste. Das zumindest glaubte Grey zu spüren. Die Umgebung machte ihn skeptisch und animierte ihn zu weiterer Vorsicht.
„Ich bin skeptisch.“, bemerkte Grey. „Ich befürchte, dass wir Johnny noch längst nicht eingeholt haben.“
„Ach ja?“, fragte Cain grinsend. „Du kannst mir ruhig Glauben schenken. Siehst du nicht diese Eisbrocken?“
„Ja, ich weiß.“, tat Grey seine Worte ab. „Johnny hatte seine Kräfte verwendet, aber ich befürchte trotzdem, dass wir zu spät kommen könnten. Gewiss ist er bereits am Ziel. Immerhin hat er den Kompass.“
„Denkst du das wirklich?“, fragte Cain lachend. „Und ich dachte, du kennst dich aus.“
Grey runzelte, offenbar tatsächlich erstaunt, die Stirn. „Kläre mich bitte auf. Was meinst du?“
Cain schmunzelte. Er schien froh, dass er es war und nicht Grey, der mehr wusste.
„Der Kompass wird hier total verrückt spielen. Es ist ausgeschlossen, dass er hier wesentlich weiter kommt, als wir es tun. Außerdem befindet sich im Inneren dieser Höhle ein Labyrinth und der Geruch scheint frisch und hat nichts von seiner Intensität verloren.“ Er tippte sich mehrmals in kurzen Abständen mit dem Zeigefinger an die Stirn. „Hier ist der Verstand gefragt und nicht das Wissen um die Nutzung eines nutzlosen Kompass, also ist es recht wahrscheinlich, dass wir ihn bald eingeholt haben. Der Rest wird ein Kinderspiel werden.“
Grey seufzte leise auf. „Johnny mag zwar sehr eigen sein und auch nicht unbedingt immer realitätsnah, aber er ist nicht dumm, obwohl er gelegentlich leicht naiv ist. Mache nicht den Fehler ihn zu unterschätzen.“
„Ich unterschätze ihn nicht.“, behauptete der kleine Junge eingeschnappt. „Er hat immerhin scheinbar problemlos die Barriere dieses Ortes überwunden.“
In Greys Gesicht zeigte sich schlagartig Überraschung und Verstehen. Er hatte soeben begriffen, dass es sich bei diesen Eisbrocken und den Pfützen um nichts anderes gehandelt hatte, als eine Eismauer, die den gesamten Höhleneingang eingenommen haben musste und als Barriere fungiert hatte.
Dem Ausmaß dieser Brocken nach, musste sie ziemlich dick gewesen und somit äußert schwer zu durchbrechen gewesen sein. Dass Johnny die komplette Mauer und nicht nur zu einem Bruchteil zerstört hatte, ängstigte ihn etwas. Waren Johnnys Kräfte etwa derartig gewachsen? Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken daran mit diesem Wesen konfrontiert zu werden.
„Du bist doch nicht etwa nervös, oder?“, fragte Cain interessiert, als er diese Wandlung bemerkt hatte.
Grey lächelte ihm zu und kurz darauf lächelte auch Cain. Er konnte nicht anders. Etwas in ihm zwang ihn dazu Sympathie für Grey zu empfinden, obwohl er sich nicht erklären konnte woher diese kam.
„Ein wenig. Aber das legt sich schon noch, wenn es soweit ist.“
„Na hoffentlich.“, bemerkte der Kleine und sprang eilig voran. Gleich mit einem Satz übersprang er eine jener grünen Pfützen und kam wohlbehalten inmitten der Höhle an ohne auf dem scheinbar feuchten Felsenuntergrund auszurutschen, oder ins Schwanken zu kommen.
„Kommst du?“, fragte er, als er inmitten der dunklen Höhle stand, und warf einen Blick zurück auf Grey. Dieser lachte leise und folgte, wenn auch weniger überstürzt, dem kleinen Jungen.
Kaum, dass sie die Höhle betreten hatten, umfing sie Finsternis.
Grey aber machte dies nur wenig aus. Seine Augen hatten sich, trotz mangelndem Licht, schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Dennoch befürchtete er, dass er, je tiefer sie in die Höhle kommen würden, schnell den Überblick verlieren würden. Er mochte über ungezählte Jahrzehnte Lebenserfahrung mit diesem Körper gesammelt haben, aber seine eigenen Grenzen waren ihm trotz all dieser Zeit noch immer bewusst. Er würde nicht den Fehler begehen sich zu überschätzen und noch weniger den Gegner unterschätzen, ganz gleich welche Gestalt dieser auch annehmen mochte.
„Nimm meine Hand.“, bat ihn Cain und griff, ohne die Antwort abzuwarten, direkt nach Greys Hand. „Ich übernehme jetzt die Führung.“
„Okay, geht klar.“, entgegnete Grey und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie froh er eigentlich war, dass sich soeben ein Problem für ihn in Luft aufgelöst hatte.
„Siehst du die Abzweigung da vorne?“, fragte ihn Cain plötzlich.
Grey kniff die Augen zusammen und stierte in eine x-beliebige Richtung. Zwar kostete es ihn etwas Anstrengung im Dunkeln etwas zu erkennen, aber nur einen Lidschlag später nickte er. Plötzlich wurde er sich bewusst, dass Cain ihn wohl kaum sehen würde und gab ein knappes „Ja“ von sich.
Cain aber schien zu schmunzeln. Grey konnte es spüren. Konnte er etwa mehr, als er im Dunkeln sehen? Hatte er vielleicht auch das Nicken bemerkt?
„Wir müssen nach rechts. Komm.“
„Du scheinst gut im Dunkeln sehen zu können.“, bemerkte Grey und blickte an die Stelle, wo er Cain vermutete. Dieser lachte kurz auf und blieb stehen. Grey folgte seinem Beispiel.
„Tue ich nicht. Ich erahne nur Dinge. Manchmal habe ich Eingebungen von Dingen, die ich tun werde, oder die in naher Zukunft geschehen werden. Meistens kriege ich sie kurz bevor, oder genau in dem Moment, in dem ich etwas tue.“
„Déjà-vus?“, fragte Grey skeptisch. „Du führst uns doch nicht wirklich durch eine stockdüstere Höhle, die zudem noch ein Labyrinth ist, auf Basis deiner Eingebungen?“
Der Junge aber antwortete nicht. Stattdessen ging er ein paar Schritte voran und zog Grey verlangend hinter sich her, dieser ließ es mit sich machen und folgte Cain schweigend in eine finstere Welt, die fernab allen Lichts gedieh.
Grey horchte aufmerksam in die Dunkelheit hinein. Gelegentlich vernahm er, wie einzelne Tropfen von der Decke zu Boden fielen, woraufhin das Geräusch des Aufpralls des Wassers von den Wänden widerhallte. Wieder und wieder, begleitet von dem Geräusch zweier Paar Füße.
Rege blickte sich Grey um. Zwar sah er so gut wie nichts, aber schaden konnte es trotzdem nicht, darum kontrollierte er seine Umgebung auch weiterhin überaus gründlich. Er wusste nicht, ob oder was sie hier drinnen erwarten mochte, aber er spürte, dass hier irgendetwas war. Etwas abgrundtief Böses, das nicht sein sollte. Johnny vielleicht?
Grey war sich da nicht sicher. Die Aura ebbte ab, je weiter sie gingen und doch blieb das beklemmende Gefühl, dass hier etwas lauern mochte. Grey wusste nur zu gut, dass der Mensch dazu neigte etwas im Dunkeln zu vermuten, aber das hatte gewiss auch seinen Grund.
„Du musst dich nicht fürchten.“, sagte Cain seelenruhig. „Hier gibt es keine gefährlichen Wesen. Zumindest keine, außer uns.“
„Ich habe keine Angst.“, entgegnete Grey lakonisch. „Ich bin bloß vorsichtig und gelegentlich etwas paranoid.“
Cain lachte kurz auf und hielt dann einen kurzen Moment inne. „Ich wusste es doch.“
„Was wusstest du?“, fragte Grey daraufhin.
„Ich wusste von Anfang an, dass du ein interessanter Mensch bist.“, erklärte Cain. „Wir sollten dringend miteinander reden, wenn das alles vorbei ist.“
„Wohl wahr.“, bemerkte Grey. „Das wollte ich dir sowieso vorschlagen, weil ich noch immer ein paar Dinge mit dir klären muss.“
„Ach? Welche denn?“, fragte Cain. Der Stimme nach war er höchst interessiert.
Grey schmunzelte. „Es gibt Dinge, die wir noch klären müssen. Es geht um deine Mutter, Johnny, Lucifer, aber auch um dich.“
„Mich?“, fragte Cain offenbar höchst überrascht.
„Genau. Aber bevor ich dir irgendwelche Hoffnungen, oder Versprechungen mache, die ich gar nicht halten kann, müssen wir erst mal diese Sache hier hinter uns bringen.“
„Okay, geht klar.“, antwortete Cain und imitierte so den Ausspruch, den Grey kurze Zeit zuvor getätigt hatte. Dieser bemerkte es, schmunzelte und ergriff das Wort:
„Komm, lass uns einfach weiter gehen. Bald haben wir ihn. Ich kann es fühlen.“
„Ich auch. Es ist bald soweit. Ich sehe unser Aufeinandertreffen bereits schemenhaft vor meinem inneren Auge.“, stimmte Cain Grey zu und schritt weiter voran. Grey folgte ihm.