Bei der Wahl zum 17. deutschen Bundestag (siehe auch hier) ergab sich bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von knapp 71% (-6,7% gegenüber 2005) das uns allen bekannte folgende Ergebnis:
CDU/CSU: 33,8% (-1,4%), davon
CDU: 27,3% (-0,5%)
CSU: 6,5% (-0,9%)
SPD: 23,0% (-11,2%)
FDP: 14,6% (+4,8%)
Die Linke: 11,9% (+3,2%)
B90/Die Grünen: 10,7% (+2,6%)
Die Wahl für die Parteien
Die Bundestagswahl 2009 hat die Kräfteverhältnisse im Deutschen Bundestag ganz empfindlich zugunsten der jetzt regierenden Mitte-Rechts-Koalition aus CDU, CSU und FDP verschoben. Dabei ist jedoch die CSU nur noch halb so stark wie die FDP und die CDU bleibt in einer festgefahrenen 27%-Situation, wobei sie in den alten Bundesländern Stimmen verlor; in den neuen und Berlin hingegen prozentual Stimmen gewinnen konnte. Langfristig verzeichnet die Union seit 1983 einen beständigen Abwärtstrend, der nur 2002 kurzfristig unterbrochen wurde.
Stärkstes Landesergebnis: Sachsen (35,6% (+5,6%))
Schlechtestes Landesergebnis: Berlin (22,8% (+0,8%))
Trotz dieses schlechten Abschneidens konnte die CDU stärkste Partei in Berlin werden. Die CSU kommt in Bayern auf 42,6% (-6,6%) der abgegebenen Stimmen.
Die SPD stürzte auf ihr mit Abstand schlechtestes Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik ab und verlor in 11 von 12 Bundesländern ihren Status als stärkste regionale Partei (9x an die CDU, 2x an Die Linke). Lediglich in der Hansestadt Bremen konnten sich die Sozialdemokraten als stärkste Kraft behaupten. Während 2005 noch in 4 Ländern rot-grüne Mehrheiten gewählt wurden, so hat das schwache Abschneiden der SPD auch all diese rot-grünen Landesmehrheiten kollabieren lassen. Abseits von Bund und Ländern verfügt die SPD jedoch auf kommunaler Ebene über einen sehr großen Rückhalt: so sind gegenwärtig in allen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern 51,3% der Oberbürgermeister SPD-Mitglieder. Die Union stellt hier hingegen nur 34,7% aller Stadtoberhäupter.
Stärkstes Landesergebnis: Bremen (30,3% (-12,6%))
Schlechtestes Landesergebnis: Sachsen (14,6% (-9,9%))
Die FDP legte massiv zu und ist nun annähernd dreistellig im aktuellen Bundestag vertreten. Während sie in den alten Bundesländern durch einen enormen Wählerzustorm von CDU und SPD durchgehend zweistellige Ergebnisse erzielen konnte, schnitt sie in den neuen Ländern teilweise immernoch einstellig ab. Tendenziell etabliert sich die FDP zunehmend als gesamtdeutsche Partei, wohingegen sie früher vor allem im Westen verwurzelt war. Dies bestätigt sich auch durch die Präsenz der FDP in nunmehr 15 von 16 deutschen Landtagen (einziges FDP-freies Landesparlament ist die Bürgerschaft in Hamburg).
Stärkstes Landesergebnis: Baden-Württemberg (18,8% (+6,9%))
Schlechtestes Landesergebnis: Brandenburg (9,3% (+2,4%))
Die Linke setzt ihre Expansion nach Westen fort und hat in allen Ländern die 5%-Hürde genommen, wenn auch mit extremen regionalen Unterschieden. Sie profitiert am stärksten von der Zuwanderung enttäuschter SPD-Wähler; in geringerem Maße sind auch frühere Unionswähler zur Linken gewandert. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg konnte die Linke zudem stärkste Kraft werden und erstmals außerhalb von Berlin Direktmandate gewinnen. Mittlerweile ist die Linkspartei in 12 von 16 Landesparlamenten vertreten; der Einzug in den Landtag von Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 gilt als sicher.
Stärkstes Landesergebnis: Sachsen-Anhalt (32,4% (+5,8%))
Schlechtestes Landesergebnis: Bayern (6,5% (+3,1%))
Die Grünen bleiben auch im 17. Deutschen Bundestag nur fünftstärkste Kraft, steigern sich aber ebenso wie FDP und Linke, wenn auch nicht in deren Maße. Dabei profitieren sie sowohl von zugewanderte ehemaligen SPD-Wählern als auch von CDU-Sympathisanten, die schwarz-grün vor schwarz-gelb präferieren. Besonders stark sind die Grünen traditionell in den Großstädten der Republik, während sie auf dem Land und im Osten der Republik einen eher schweren Stand haben. Trotzdem erreichten auch die Grünen in jedem Bundesland mehr als 5% der Stimmen und etablieren sich ebenso wie FDP und Linke zunehmend im gesamten Bundesgebiet.
Stärkstes Landesergebnis: Berlin (17,4% (+3,7%))
Schlechtestes Landesergebnis: Sachsen-Anhalt (5,1% (+1,0%))
Die Wahl im Norden
Im Gegensatz zum Westen des Landes hat sich der Norden Deutschlands auch 2009 einer flächendeckenden Eroberung durch die neue schwarz-gelbe Mehrheit widersetzt. Neben den rot-rot-grünen Stadtstaaten Hamburg (1 linkes Mandat mehr) und Bremen (2 linke Mandate mehr) bleibt auch Niedersachsen mehrheitlich links, auch wenn die rot-grüne Mehrheit von 2005 nur noch auf einen knappen rot-rot-grünen Stimmenüberschuss zusammengeschmolzen ist. Geographisch sind in Niedersachsen keine großen Veränderungen wahrzunehmen. Die SPD kann ihre Hochburgen in und um Hannover sowie in Ostfriesland, um Bremen herum und im Süden halten, während die CDU im Westen des Landes wie gewohnt extrem stark auftritt und im Wahlkreis Cloppenburg-Vechta sogar ihre bundesweit einzige absolute Mehrheit (54%) erzielen konnte. Der Mandatsvorsprung des linken Lagers fällt mit 2 Mandaten gegenüber schwarz-gelb eher gering aus.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern, dem Land, in dem Kanzlerin Merkels Wahlkreis liegt, bleiben schwarz-gelbe Mehrheiten illusorisch, allerdings hat sich innerhalb des linken Lagers ein Führungswechsel vollzogen, indem die Linkspartei die Sozialdemokraten als stärkste Kraft des Mehrheitslagers abgelöst hat. Bedingt durch die Überhangmandate der Union gibt es hier wie auch im Saarland und in Thüringen ein Mandatspatt zwischen schwarz-gelb und rot-rot-grün.
Als einzige Ausnahme im hohen Norden Deutschlands erweist sich Schleswig-Holstein. Das Land, das 2005 noch rot-rot-grün vor schwarz-gelb gewählt hatte, hat sich 2009 eine knappe schwarz-gelbe Mehrheit zugelegt und schickt 2 "bürgerliche" Abgeordnete mehr in den Deutschen Bundestag als die Parteien des linken Lagers. Zwischen Nord- und Ostsee hat sich dabei wenig Spektakuläres zugetragen. Wie zu erwarten war, zeigten sich die Sozialdemokraten und Grünen eher in den Großstädten wie Kiel und Lübeck dominant, während die Union die ländlichen Wahlkreise dominierte.
Insgesamt kann rot-rot-grün im linksliberal gesinnten Norddeutschland einen knappen Vorsprung von 3 Mandaten gegenüber schwarz-gelb verbuchen.
Die Wahl im Westen
2009 haben es Union und FDP erstmals seit 1990 wieder geschafft, Nordrhein-Westfalen zu erobern. Im Stammland der SPD konnten sie einen Vorsprung von 1 Mandat gegenüber den linken Parteien herausholen. Ebenso konnte schwarz-gelb Hessen majorisieren und auch hier 1 Mandat mehr erringen als die vormalige rot-rot-grüne Mehrheit. Dennoch fällt auf, dass CDU und FDP den SPD-dominierten Block rund um das -von schwarz-gelben Mehrheiten umschlossene- Ruhrgebiet nach wie vor nicht zu knacken imstande sind. Die Mehrheiten im größten deutschen Ballungsraum bleiben im linken Lager; im Zentrum des Ruhrgebiets rund um die Städte Duisburg und Essen gibt es sogar noch rein rot-grüne Mehrheiten.
Eine weitere geographische Teilung stellt sich in Hessen ein, das sich grob in einen "linken" Norden und einen "bürgerlichen" Süden teilt, wobei Frankfurt und Darmstadt als linke Enklaven aus dem schwarz-gelben Süden herausstechen.
Während Nordrhein-Westfalen und Hessen knapp von Union und FDP erobert wurden, traten in Rheinland-Pfalz und im Saarland keine Veränderungen der Mehrheitsverhältnisse zwischen den Lagern zu Tage. Im traditionell konservativen Rheinland konnte schwarz-gelb wie schon 2005 eine klare Mehrheit erringen und mit einem Vorsprung von 4 Mandaten gegenüber rot-rot-grün aus der Wahl hervorgehen. Ebenso bleibt die linke Mehrheit im Saarland bestehen. Diese ist jedoch durch das schwache Abschneiden der SPD (24,7%) empfindlich geschwächt worden. Da zudem die Linkspartei im Saarland überproportional stark ist (21,2%) und der SPD große Stimmeneinbußen beschert hat, konnte die Union alle Direktmandate gewinnen, obwohl sie fast 15% schwächer ist als SPD und Linke zusammen (die Linke besteht im Saarland fast komplett aus alten SPD'lern, insofern haben wir es hier personell und inhaltlich weniger mit zwei Parteien als viel mehr mit zwei eigenständigen Flügeln EINER Partei zu tun. Insofern ist diese gemeinsame Betrachtung von rot-rot hier durchaus gerechtfertigt). Infolge der damit einhergehenden Überhangmandate ergab sich trotz der rot-rot-grünen Stimmenmehrheit ein Mandatspatt zwischen den Lagern.
Insgesamt konnten Union und FDP im Westen Deutschlands einen Vorsprung von 6 Mandaten gegenüber SPD, Grünen und Linken erwerben. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass dieser Landesteil für gewöhnlich eher linke Mehrheiten hervorbringt, mit denen sich schwarz-gelbe Mandatsüberschüsse im Süden normalerweise ausgleichen lassen. Mit den knappen Mehrheiten für Union und FDP in Nordrhein-Westfalen und Hessen wurde dem linken Lager somit jede Möglichkeit genommen, die starken schwarz-gelben Mehrheiten aus Süddeutschland noch zu absorbieren.
Die Wahl im Osten
Seit jeher zeichnen sich die Wähler im Osten Deutschlands als die dynamischsten und unberechenbarsten aller Bundesbürger aus. Die Parteibindungen sind schwach; die drei großen Regionalparteien CDU, SPD und Die Linke sind hier überdies weniger weit voneinander entfernt als im Westen Deutschlands und pflegen auf kommunaler Ebene eine intensive lagerübergreifende Zusammenarbeit, was die Differenzierung der Parteien durch den Wähler noch zusätzlich erschwert.
Berlin und insbesondere Brandenburg zeigen sich schon seit 1994 bzw. 1990 ungewinnbar für schwarz-gelb. Seit der Bundestagswahl 1994 ist die CDU hier nicht einmal in die Nähe der 30%-Marke gekommen. Auch Sachsen-Anhalt ist fest in der Hand der linken Parteien, jedoch traten 2009 einige Kuriositäten zutage. So ist die Linke in Brandenburg und Sachsen-Anhalt wie bereits in Mecklenburg-Vorpommern stärkste (linke) Kraft geworden und hat SPD und CDU so deutlich in die Schranken gewiesen, dass eine theoretische Große Koalition in zwei Ländern (Sachsen-Anhalt und Berlin) über keine Mehrheit verfügen würde.
Während Brandenburg und Sachsen-Anhalt strukturell fest von rot-roten Mehrheiten beherrscht werden, ist in Berlin eine Art Flickenteppich der Parteidominanz entstanden. Dabei ist die CDU im Nord- und Südwesten Berlins die tonangebende Kraft. Die SPD dominiert im übrigen Westteil und im Süden der Bundeshauptstadt. Die Grünen wiederum sind im Stadtzentrum die stärkste Partei und die Linke beherrscht das alte Ost-Berlin.
Thüringen ist demgegenüber weniger spektakulär. Das Eichsfeld im Norden des Landes bleibt eine typische CDU-Hochburg, während die Linke zunehmend in die alten CDU-beherrschten Landkreise vordringt und rot-grün in den Großstädten überproportional stark ist. Mehrheitlich haben die Thüringer deutlich rot-rot-grün vor schwarz-gelb gewählt. Bedingt durch die CDU-Überhangmandate im 2005 fast komplett von der SPD gewonnenen Land konnte schwarz-gelb jedoch ebenso viele Mandate erringen wie das linke Lager.
Bleibt noch das für den Wahlforscher sehr exotische Sachsen. Das Land fällt nicht nur durch seine stellenweisen 10%-Kreisergebnisse für die NPD auf, es ist auch das einzige Land im Osten Deutschlands, das eine 5 Mandate starke schwarz-gelbe Mehrheit hervorgebracht hat. Die Konfliktlinie Stadt-Land tritt auch in Sachsen als dominantes Muster beim Wahlverhalten auf. Während in den ländlichen Gebieten die CDU-Wählerschaft vorherrscht, sind die großen Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz mehrheitlich links, obwohl die Schwäche der SPD den Christdemokraten auch die dortigen Direktmandate eingebracht hat.
Insgesamt verfügt rot-rot-grün in Berlin und Brandenburg jeweils über 5 Mandate mehr als schwarz-gelb, hinzu kommen 3 Mandate aus Sachsen-Anhalt. Bedingt durch die Überhangmandate der CDU in Thüringen herrscht hier ein weiteres mal ein Mandatspatt trotz rot-rot-grüner Stimmenmehrheit. Mit den 5 schwarz-gelben Mehrmandaten aus Sachsen ergibt sich somit ein rot-rot-grüner Vorsprung von 8 Mandaten im Osten Deutschlands.
Die Wahl im Süden
Baden-Württemberg und Bayern bleiben nach wie vor schwarz-gelbe Hochburgen. 2009 haben sich dabei allerdings einige entscheidende Veränderungen vollzogen: CDU, CSU und SPD haben als ehemalige Volksparteien massiv an Halt verloren und erreichen zusammen nur noch 53,8% (BW) bzw. 59,4% (BY) der Stimmen. Die CSU erreicht in Bayern in immerhin noch 16 von 45 Wahlkreisen absolute Mehrheiten, sie verliert jedoch insbesondere in Franken und in der Metropolregion München an Zustimmung. Stark zeigt sie sich hingegen in den ländlichen Gebieten des Bayerischen Waldes, in Schwaben und an der Grenze zu Österreich. Die CDU in Baden-Württemberg erreichte in keinem Wahlkreis mehr eine absolute Mehrheit.
Auffällig ist darüber hinaus, dass sich die großen Städte des Südens nach wie vor einer schwarz-gelben Mehrheit verweigern. So haben Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg und Nürnberg mehrheitlich rot-rot-grün bzw. grün-rot-rot gewählt, wenn auch zum Teil sehr knapp. Einzig das lokal rot-grün regierte München bildet hier eine Ausnahme.
Der Süden Deutschlands bleibt das notwendige Rückgrat für schwarz-gelbe Mehrheiten im Bund. Union und FDP erzielten hier einen Vorsprung von 47 Mandaten gegenüber SPD, Grünen und Linken.
Verrechnet man all diese Überschüsse miteinander, verbleiben 42 Bundestagsmandate, die schwarz-gelb mehr hat als rot-rot-grün. Diese bilden die stabile Basis, auf der die CDU/CSU-FDP-Regierung bis 2013 bauen kann.
Was danach kommt, wird sich zeigen. In diesem Sinne ein frohes neues Jahr.
Euer Cally