Bevor ich euch nun den letzten Teil dieser Geschichte zeige, möchte ich an dieser Stelle all jenen danken, die sich diese Geschichte bis zum Ende durchgelesen haben und es wohl noch tun werden, denn sie bedeutet mir wirklich einiges. Nie zuvor hatte ich einen Charakter gehabt wie Felix und auch keinem war ich jemals so nahe gekommen, daher ist es nicht verwunderlich, dass er mir sehr ans Herz gewachsen ist und ich würde mich freuen, wenn es euch genauso gehen sollte. Ich habe mich bemüht die Geschichte so realitätsnah wie möglich zu gestalten, aber auch das Innenleben eines Menschen bis ins kleinste Detail zu durchleuchten damit ein jeder weiß wie er sich fühlen mag und sich jeder in ihn hineinversetzen kann und ich glaube das ist mir auch ganz gut gelungen. Sicher ging dabei ein wenig die Tiefe der Handlung verloren, aber ich denke dennoch, dass dieser letzte Abschnitt ein paar Überraschungen bereit halten könnte, die manch einer so vielleicht nicht erwartet hätte. Schlussendlich bleibt mir nur noch eines zu sagen: Ich hoffe sehr, dass euch diese Geschichte gefallen hat und vielleicht habe ich es ja geschafft den einen, oder anderen zum Nachdenken anzuregen, aber wer weiß das schon? Macht was draus und viel Spaß mit:
Kapitel 8 – Nicht einmal der Tod
Das Leben ist wie eine Ansammlung von Bahnhöfen, denn man weiß nie so recht was einen als nächstes erwartet, wenn man in den nächsten Zug einsteigt und mit ihm davon fährt. Dennoch gibt es noch etliche andere Möglichkeiten an einem Bahnhof, außer eines jener Gefährte zu besteigen und in eine ungewisse Zukunft zu reisen; man trifft ständig auf neue Leute, oder aber man verharrt einfach nur an Ort und Stelle und wartet auf den nächsten Zug, der einen an einen nie zuvor gekannten Ort bringen soll. Das Leben selbst nimmt die verschiedensten Formen und Gestalten an und auch an einem Bahnhof ist dies der Fall; bekanntlich sind diese erfüllt von den verschiedensten Dingen. Seien es nun die einzelnen Läden, welche ihre Waren anbieten, oder die zahllosen Menschen, die umher laufen und sich auf den Weg zu ihrer nächsten Fahrgelegenheit machen, oder aber einfach nur einen kurzen Snack kaufen wollen, um sich eine Pause zu gönnen. Das Leben bietet einem stets die Möglichkeit sich frei für etwas zu entscheiden, weil ein jeder Mensch hat eine Wahl und wie so oft steht es ihm frei sich für einen Zug zu entscheiden, um so seinem Leben eine Wende zu verschaffen. Der Moment in dem man einen solchen besteigt, den gellenden Pfiff der Trillerpfeife eines Schaffners vernimmt und der Zug mit einem elektrischen Knistern davonfährt ist nur einer jener Augenblicke im Leben eines Menschen, aber dafür ein ganz besonderer, denn er versinnbildlicht eine getroffene Entscheidung, aber auch eine Sinneswahrnehmung, die der Mensch empfindet. Das Pfeifen ist das Signal, welches einen bewusst werden lässt, dass man sich für etwas entschieden hat und der Zug ist die Entscheidung, die einen davon trägt in jene ungewisse Zukunft, die einen erwartet, das elektrische Knistern hingegen ist die Erkenntnis, die man womöglich mit der getroffenen Wahl erhalten hat und ist somit ein essenzieller Bestandteil des Lebens, zumal man sich auch heute noch kaum einen Zug kaum ohne dieses wunderbare Knistern vorstellen kann, denn wenn man es hört, dann weiß man augenblicklich, dass jede Zugfahrt ein Abenteuer ist, welches einen durch Berg und Tal, unbekannte Städte, aber auch an nie gekannte Orte führt, die man ohne diese Entscheidung womöglich niemals gesehen hätte. Wir alle wissen nie was unsere Entscheidungen mit sich bringen, denn das Leben ist eine Reise mit ungewissem Verlauf und dies ist auch das Schöne daran, was es so lebenswert, aber zugleich auch wunderschön macht. Wenn man aber so wie Felix vor einem Punkt steht an dem man erkennt, dass es nicht mehr weitergeht und man nicht willens ist einen neuen Zug zu besteigen, dann wird dieses an sich so harmonische Bild in seinen Grundfesten erschüttert, zumal das Leben nicht nur von schönen Momenten erfüllt ist, sondern auch von gänzlich anderen Erfahrungen geprägt wird, die manchmal weniger makellos und nicht leicht zu tragen sind. Leute wie Felix sind es, die nicht in der Lage sind mit ihrem Schicksal umzugehen und darum fliehen sie vor dem Leben selbst, um so den qualvollen Entscheidungen, die sie erwarten, zu entkommen.
Auch heute war ein solcher Tag an dem Felix sich auf den Weg zum Bahnhof machte, um dort seiner Geschichte ein Ende zu bereiten. Es war ein schöner Tag wie es schon lange keinen mehr gegeben hatte. Die Sonne schien strahlend vom Himmel herab, der letzte Schnee eines harten Winters war geschmolzen, eine sanfte Brise zog ihre Kreise und das Gezwitscher der ersten Vögel erfüllte die Luft und glich einem wunderschönem Stimmenchor, der auch das härteste Herz aus Stein zu erweichen mochte, aber eben nicht das des in sich gekehrten Felix, der nur noch einen einzigen Gedanken vor Augen hatte, als er aufbrach und seiner Angebeteten zum Hauptbahnhof folgte. Wie so oft verlief die Fahrt ereignislos, doch im Gegensatz zu sonst traute er sich nicht ihr hinterher zu blicken, warum vermochte er nicht zu sagen. Stattdessen hielt er eine rote Mappe fest um seinen Körper umschlungen, die wohl das wichtigste Gut darstellte, was er noch in seinem Leben besaß; es war seine Geschichte, die er da in seinen Händen trug. Heute würde er einen Schlussstrich ziehen und der Sache ein Ende bereiten. Seine Qualen sollten mit diesem Tag der Vergangenheit angehören. Genau dies hatte er sich für heute vorgenommen. Die Strecke selbst erlebte er mehr in einem Trancezustand, als in einer wirklich wachen Wahrnehmung, was man auch deutlich an seinem Äußeren erkennen konnte, denn sein Blick schien vernebelt und war geprägt von einer gähnenden Leere, die kein Licht mehr zu durchdringen vermochte. Dafür war es schon längst zu spät.
Die Bahn hielt ruckelnd an, als er endlich das Ziel seiner letzten Reise erreichte. Er würde nun am Hauptbahnhof aussteigen, um ihr zu folgen und ein paar letzte Worte mit ihr wechseln. Die Zeit zu handeln war gekommen. Mit einer von ihm nicht gekannten Routine lief er aus der Bahn hinaus und betrat die Bühne für seine letzte Aufführung. Lisa war schon wenige Sekundenbruchteile vor ihm ausgestiegen und machte sich auf den Weg zu ihrer Bahn. Er durfte sie nicht verpassen. Gleich mehrere der grauen Betonstufen auf einmal nehmend sprang er die Treppe zur linken der Schienen empor und eilte ihr hinterher. Er musste sie nicht sehen, um zu wissen wo sie hin ging schließlich war er ihr schon etliche Male ohne ihr Wissen gefolgt. Es war nur eine Frage der Zeit bis er aufgeholt haben würde. Am Ende hatte er es geschafft. Er sah sie am Bahnsteig stehen, weniger als ein Dutzend Meter trennten sie von der Bahn.
„LISA!“, rief er und durchbrach so die seltsam ungewohnte Stille, die bisher über diesem Ort geruht hatte. Beinahe augenblicklich warf die Angesprochene einen Blick zurück, doch als sie Felix erspähte, schien sie sowas wie Furcht zu packen und hastig wandte sie sich von ihm ab und fixierte an seiner Statt die Bahn selbst. Womöglich hoffte sie er habe sie nicht bemerkt, aber es war bereits zu spät. Felix hatte sie selbstverständlich schon längst entdeckt und stand binnen weniger Sekunden neben ihr.
„Lisa…“, flüsterte er atemlos und schaute sie traurig und mit feuchten Augen an.
„Felix?“, fragte sie zögerlich als fürchte sie das auf sie Zukommende.
„Womit habe ich das verdient, dass du meinen Blicken ausweichst, wenn ich nach dir rufe?“, hauchte er.
Schweigen und ein schüchterner Blick zur Seite waren die Antwort. Felix schien dies zu genügen. Ein trauriges Lächeln schlich sich augenblicklich auf seine Lippen.
„So ist das also.“, murmelte er. Er seufzte kurz resignierend auf, schaute betreten zu Boden und runzelte kurz die Stirn. Doch binnen weniger Sekunden schien er sich entschieden zu haben und reichte ihr jene rote Mappe, die er bisher mit sich herum getragen hatte. „Nimm dies und bitte tue mir den Gefallen: Lies es sofort durch. Es würde mir eine Menge bedeuten.“, sagte er zu ihr und drehte sich augenblicklich um, als sie diesen Gegenstand entgegen nahm. Tränen schlichen sich in sein Gesicht, als er ihr den Rücken kehrte. Er hatte getan, was er tun wollte und nun lag es nicht weiter in seiner Hand was mit seiner Geschichte passierte. Ob sie seine geschriebenen Worte lesen würde, wusste er nicht, aber das war nun auch nicht weiter von Bedeutung, denn es ging ihm einzig darum ihr die Möglichkeit zu geben eine eigene Entscheidung zu treffen. Sein eigener Beschluss hingegen stand schon längst fest. Er würde sich schon bald vor die nächstbeste Bahn werfen und seinem Leben ein Ende bereiten. Wohin ihn dieser Zug bringen würde vermochte er nicht zu sagen, doch das wusste man nie so genau, wenn man anfing zu leben und das Gleiche galt wohl auch für den eigenen Tod.
Epilog/Felix letzte Worte zu dieser Geschichte:
Die Geschichte hat also ein Ende genommen und ich bin gestorben, zumindest war dies der Plan, denn ich hatte durchaus vorgehabt mir das Leben zu nehmen und zwar exakt auf diese Art und Weise. Wie Lisa reagiert hätte weiß ich nicht und was die Medien, oder andere meiner Freunde dazu gesagt hätten noch weniger, dennoch glaube ich, dass es einige Menschen gegeben hätte, die mein Ableben bedauern und um mich trauern würden. Ich habe des Öfteren darüber nachgedacht wie ich das Ende dieser Geschichte aussehen sollte, denn ich hatte von Anfang an vor sie einfach mit meinem Ableben enden zu lassen, um so den Abschluss mit dieser Sache, nämlich meinen Emotionen für sie, symbolisch darzustellen und mit meinem Tod endgültig hinter mich zu lassen, aber auch für jenen Plan, den ich in der Geschichte selbst geschildert habe, wobei ich auch scheinbar unbewusst meine Probleme verarbeiten wollte. Inzwischen habe ich jedoch festgestellt, dass ich mit dieser Geschichte mehr tun will, als mit etwas fertig zu werden, weil mein neues Ziel ist es Hoffnung zu spenden und anderen Menschen zu demonstrieren, dass es auch anderen Personen ähnlich wie ihnen geht. Sie sollen sehen wie jemand mit seinen Problemen umgeht, was in ihm vorgeht, aber ich will auch, dass die Menschen so auf die Probleme der Anderen aufmerksam werden und eventuell ein Auge offen halten, um diesen gegebenenfalls zu helfen. Jemand wie ich, der nie sonderlich viel Erfolg im Umgang mit den Menschen hatte, scheint daher für diese Aufgabe prädestiniert zu sein, da sie so tatsächlich sehen wie jemand, der am Boden war, versucht sich in dieser Welt zurecht zu finden und daran zerbricht. Der Prozess des Schaffens dieser Geschichte hat mir etwas Klarheit im Leben verschafft und mich, wenn auch nicht gänzlich, von meinen Problemen befreit.
Übrigens! Inzwischen gehen Lisa und ich aneinander vorbei, als wären wir Fremde und manchmal trauere ich auch darum, dass nichts zwischen uns passiert ist, sei es nun Freundschaft, oder mehr, aber womöglich war es so auch das Beste für mich. Mein Leben hat nun wieder geregelte Bahnen angenommen und durch einige glückliche Fügungen habe ich es geschafft neue Freunde zu finden und ich sehe die Dinge mehr in grau, als in schwarz, oder weiß. Zwar bin ich noch längst nicht alle Probleme los, aber das ist schon okay, denn sie machen das Leben erst durch den Kontrast, den sie so schaffen, wirklich lebenswert. Dennoch will ich nicht verschweigen, dass mich ab und an, wenn es mir wirklich dreckig geht, der Gedanke an Selbstmord ereilt, aber es scheint mir inzwischen mehr eine schlechte Gewohnheit, als wirklich ernst zu sein.
Ich hoffe, dass so andere von mir etwas lernen konnten und nun auch das Schöne im Leben zu erkennen vermögen. Lasst nicht zu, dass euer Leiden Überhand nimmt und ihr wegen ihm alles fortwerft, was euch womöglich etwas bedeutet, denn das Leben ist dafür viel zu kostbar.
Das nun folgende Gedicht entstand damals, als ich am Bahnhof stand und vergeblich auf Lisa wartete, also in Kapitel 5. Es trägt den Namen „Leidenschaft ist das was Leiden schafft“ und soll als endgültiger Schlussstrich dieses Lebensabschnittes dienen.
Euer Felix.
Hinaus in die bitterkalte Nacht schrie ich meinen Schmerz
Behütet vor dunklen Fängen hat es mich nicht – mein Herz!
Starke Menschen kämpften an gegen jenes Wesen auf finsteren Schwingen
Schöne Märchen versprechen und den Tod uns bringen
Blickte hoch empor zu düsteren Gestirnen; ewig auf der Lauer
Sah mir an, was die Welt mir bot:
Nichts scheint ewig, nichts von Dauer
Nicht einmal der Tod