@ Omne: Du kannst Gedanken lesen, oder? ^^
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Nach kurzer Suche fand Surectes endlich das Stadtarchiv.
Es war in einem großen Gebäude untergebracht.
Die Front des Hauses wurde von runden Säulen aus weißem, marmoriertem Gestein beherrscht.
Durch die Säulen und die Fassade des Hauses zogen sich Risse, die notdürftig verspachtelt worden waren; offenbar war das Gebäude bereits sehr alt.
Der Vampir betrat das Haus durch den großen Haupteingang und fand sich in einer beeindruckenden Halle wieder, die ebenfalls aus weißem Stein bestand.
Gegenüber des Einganges befand sich eine geschlossene Tür.
Surectes ging darauf zu und klopfte.
Die Tür wurde geöffnet und ein alter Mann kam herausgehumpelt.
„Ich bin Jali, der Archivar.“, stellte er sich vor. „Wie kann ich euch behilflich sein?“
„Ich bin auf der Suche nach Stadtchroniken.“, antwortete Surectes.
Der Archivar sah ihn an als hätte er einen Verrückten vor sich.
„Äh... ich bin nicht sicher, ob ihr wisst, wo ihr euch befindet.“, entgegnete er. „Dies ist das Stadtarchiv; hier befinden sich nur Stadtchroniken.“
Surectes nickte.
„Das ist mir bekannt; doch ich suche besondere Chroniken. Chroniken, die mindestens zweitausendfünfhundert Jahre alt sind.“
Der Archivar starrte ihn einen Moment lang ungläubig an.
„Was könntet ihr mit solch alten Schriften wollen?“
„Das lassen sie nur meine Sorge sein, alter Mann.“, erwiderte der Vampir scharf. „Also, habt ihr in eurem Archiv Chroniken diesen Alters?“
„Natürlich... natürlich. Aber selbstverständlich darf nicht jeder sie einsehen. Wenn ihr Einblick in die alten Chroniken wünscht, müsst ihr ein vom Stadtfürsten unterzeichnetes Dekret vorlegen.“
Surectes’ Hand schoss vor, umklammerte den Hals des Archivars und hob ihn einige Zentimeter vom Boden.
„Hört mir gut zu, alter Mann!“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Ihr habt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ihr lasst mich die Chroniken einsehen die ich suche, oder aber ich beseitige euch und sehe sie mir ohne eure Erlaubnis an. Wie lautet eure Entscheidung?“
Der Archivar röchelte und versuchte sich aus dem eisernen Griff des Vampirs zu befreien.
„Oh, Verzeihung.“, sagte Surectes und ließ den Mann los.
Jali rieb sich die Kehle.
Deutlich waren die Abdrücke von Surectes’ Fingern zu erkennen.
„Nun?“, fragte der Vampir.
„Folgt... folgt mir.“, erwiderte Jali, noch immer schwer atmend.
Er drehte sich um und humpelte durch einen langen Gang.
Surectes folgte ihm.
In regelmäßigen Abständen waren Türen an den Seiten des Korridors, die in die verschiedenen Archivsäle führten.
Doch Jali führte den Vampir so weit in den Korridor hinein, bis sie an sein Ende gelangten, wo die letzte Tür vor Kopf eingelassen war.
Eine Unmenge von Riegeln und Schlössern war an ihr angebracht.
Jali förderte einen umfassenden Schlüsselbund zutage und begann damit, ein Schloss nach dem anderen zu öffnen.
Schließlich entriegelte er den letzten Riegel und öffnete die Tür.
Surectes ging hindurch und fand sich in einem großen Raum wieder, dessen Wände von dunklen Eichenregalen bedeckt waren.
Ein leicht modriger, staubiger Geruch lag in der Luft.
Die Holzregale waren vollgestellt mit den verschiedensten Büchern.
„Jetzt lasst mich allein.“, forderte der Vampir.
„Es ist Vorschrift, dass der Archivar...“, setzte Jali an.
Surectes fuhr herum und fixierte den Mann.
„Raus!“, rief er.
Der Archivar zuckte erschrocken zusammen und verließ hastig den Raum.
Surectes durchsuchte die Regale, bis er schließlich die Chroniken der Jahrgänge fand, die er gesucht hatte.
Er zog die dicken, ledergebundenen Folianten aus den Regalen, legte sie auf einem Tischchen ab und begann zu lesen.
Danur erreichte das Stadttor von Galderion, dass wie immer wert offen stand.
Er ritt hindurch und gab sein Pferd an den Ställen ab wie es Vorschrift war.
Danach sah er sich unentschlossen um.
In den Straßen herrschte dichtes Gedränge.
Wie sollte ihm in diesem Wirrwarr jemand behilflich sein können?
Schließlich beschloss der Magister, die Gaststätten nacheinander aufzusuchen und sich dort nach dem Vampir zu erkundigen.
Surectes hatte eine Chronik des Jahres 293 aufgeschlagen; also war sie 2741 Jahre alt.
In ihr hatte er etwas vielversprechendes entdeckt.
Ein gesamtes Kapitel handelte von „merkwürdigen Beben“ und „magischen Lichtern“ die die Stadt regelmäßig in Angst und Schrecken versetzt hatten.
Zwar waren die seltsamen Vorkommnisse niemals aufgeklärt worden, doch alle Bewohner der Stadt hatten damals den reichen Händler Armir Angalar verdächtigt, der in einem großen Haus „am Ende der Hauptstraße“ gelebt hatte.
Wenn dieses Haus noch stand...
Surectes schlug das Buch zu und stand auf.
Sollte er nach all den Fehlschlägen endlich gefunden haben, wonach er gesucht hatte?
Er verließ das Archiv.
Im Vorbeigehen murmelte er dem verschreckt dreinschauenden Archivar eine Entschuldigung zu und warf ihm fünf Goldmünzen als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten hin.
Danur verließ frustriert das siebte Gasthaus.
So würde er den Vampir niemals aufspüren können.
In Galderion gab es mindestens fünfzig verschiedene Schänken, Wirtshäuser und Gaststätten.
Bis er die alle aufgesucht hätte, wäre ihm der Vampir längst entkommen.
Niedergeschlagen marschierte er eine Gasse entlang.
Gerade hatte er den Entschluss gefasst, unverrichteter Dinge zur Ordensfestung zurückzukehren, da schien das Schicksal endlich ein Einsehen zu haben.
Danur sah, wie die Tür des Stadtarchivs aufschwang und der Vampir herauskam.
Der Templer zog sein Schwert.
Diesmal würde diese verfluchte Kreatur ihm nicht entkommen.